Zurück zur Übersicht

drucken

Ryanair macht keinen Abflug: Der Billigflieger dünnt sein Angebot am Hahn aber weiter aus


Carsten Zillmann, Volker Boch und Markus Kuhlen

Gute und schlechte Nachrichten für den Flughafen Hahn. Die gute: Entgegen anderslautenden Medienberichten plant Ryanair nicht, sich komplett aus dem Hunsrück zurückzuziehen. Die schlechte: Nichtsdestotrotz wird die irische Billigairline ihr Angebot spürbar ausdünnen. Und auch darüber hinaus ist die Lage problematisch.

Die Nachricht vom angeblichen Rückzug war nicht nur im Hunsrück eingeschlagen wie eine Bombe. Nach einem Bericht der Mainzer "Allgemeinen Zeitung" hätten "höchste Managementkreise" der Airline berichtet, es solle "konkrete Planungen für den kompletten Rückzug vom Hahn geben". Und das bereits zum April 2019.

Der private Flughafenbetreiber HNA bezeichnete dies auf Anfrage unserer Zeitung als haltlose Spekulationen. Hahn-Manager Christoph Goetzmann nannte die Gerüchte aus der Luft gegriffen. "Die Nachricht vom Ryanair-Abzug ist Unsinn", sagte er. "Ich habe aus meiner täglichen operativen Tätigkeit heraus keine Indikatoren, dass Ryanair den Hahn verlässt." Nichtsdestotrotz habe die Nachricht für Verunsicherung bei Angestellten und Betroffenen gesorgt, was Goetzmann ärgert. "Was wir hier sehen, ist blamabel - für die Presse, die das verbreitet."

Ryanair selbst hüllte sich auf Anfrage nahezu komplett in Schweigen. "Wir kommentieren keine Gerüchte oder Spekulationen. Die noch ausstehenden Sommerflugpläne 2019 finalisieren wir derzeit", erklärte Sprecher Robin Kiely lediglich. Nach Recherchen unserer Zeitung steuert Ryanair im Sommer 2019 mindestens 25 europäische Ziele vom Hahn aus an.

Das Unternehmen hatte vergangene Woche seinen neuen Sommerflugplan mit insgesamt 280 Strecken vorgestellt. In diesem Netz bleibt der Hahn zwar enthalten, spielt aber eine weitaus geringere Rolle in der Unternehmensstrategie als bisher. Bleibt es bei den derzeit buchbaren 25 Zielen aus dem Hunsrück, wäre dies eine deutliche Schwächung des Standorts. 2013 gab es noch 54 Ziele, 2014 und 2015 sank die Zahl dann auf 40 ab. Nach einer zwischenzeitlichen Steigerung lag sie zuletzt im Sommer 2018 bei 39. Bislang fehlen im Plan Ziele wie London oder Pisa, die viele Jahre lang vom Hunsrück aus angeflogen wurden.

Die Nachricht vom Ryanair-Abzug ist Unsinn. Ich habe aus meiner täglichen operativen Tätigkeit heraus keine Indikatoren, dass Ryanair den Hahn verlässt.

Christoph Goetzmann, Mitglied der Mitglied der Geschäftsführung am Flughafen Hahn.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums der Vertrag zwischen dem Hahn und Ryanair 2021 ausläuft. Er bestimmt die Konditionen, zu denen die Iren im Hunsrück landen können. Die aktuelle Umstrukturierung des Streckennetzes könnte also auch ein Druckmittel sein, um den Hahn in einen Unterbietungswettbewerb mit anderen Flughäfen zu zwingen.

So oder so, der Druck auf den Hahn wird weiter wachsen. Bereits jetzt hebt Ryanair von den benachbarten Flughäfen Luxemburg, Köln/Bonn und Frankfurt ab. In Frankfurt soll zusätzlich bald der Terminal 3 eröffnen. Der Ausbau des dortigen Flugsteigs G, der speziell auf die Bedürfnisse der Billigflieger wie Ryanair ausgelegt ist, wurde vorgezogen. Mit Beginn des Sommerflugplans 2021 sollen bis zu fünf Millionen Menschen pro Jahr von dort abheben. Im Vollausbau werden es dann sogar bis zu sieben Millionen Passagiere sein.

Ein weiteres Problem in Sachen Ryanair sieht Hahn-Manager Goetzmann im Tarifkonflikt beim Billigflieger: "Wenn Tarifparteien von Kriegserklärung sprechen, dann werden Regionalflughäfen zu Kollateralschäden." Ryanair hatte unter anderem angekündigt, seine Basis in Bremen mit zwei Flugzeugen zu schließen und in Weeze (NRW) zwei von fünf Maschinen abzuziehen. Wie die "Neue Ruhr-Zeitung" berichtet, zieht sich Ryanair auch vom Flughafen Düsseldorf komplett zurück. Start- und Landerechte gehen an die österreichische Tochter Laudamotion über, an der die Iren zu 75 Prozent beteiligt sind. Der Flughafen Düsseldorf bestätigte die Pläne.

Grund für die aktuellen Unruhen dürften auch die schwachen Geschäftsergebnisse von Ryanair sein. Am Montag musste die Fluglinie den ersten Gewinnrückgang seit fünf Jahren bekannt geben: Der Gewinn sank im ersten Geschäftshalbjahr um 7 Prozent auf 1,20 Milliarden Euro.

Das komplette Aus von Ryanair am Hahn - und damit eventuell des gesamten Flughafens - könnte für das Land teuer werden. Rheinland-Pfalz hat seinen Flughafenanteil von 82,5 Prozent 2017 zwar an den chinesischen Mischkonzern HNA verkauft. Allerdings verpflichtet der Verkaufsvertrag das Land bis 2024 zu Betriebs- (maximal 25,3 Millionen Euro) und Investitionsbeihilfen (maximal 22,6 Millionen Euro) sowie Sicherheitskosten von maximal 27 Millionen Euro (bis 2025). Auch für etwaige Umweltschäden haftet der Steuerzahler, sodass im schlimmsten Fall 100 Millionen Euro aus der Staatskasse fließen. Und Fakt ist: Auch mit den Starts und Landungen von Ryanair arbeitet der Hahn defizitär. Das geht aus einer Pressemitteilung des Innenministeriums hervor. Die Betreibergesellschaft hat für das Jahr 2017 Betriebsbeihilfen beantragt. Das ist nur bei nachgewiesenem Minus möglich.

Die restlichen 17,5 Prozent am Hahn hält übrigens Hessen. Der stellvertretende Sprecher des Finanzministeriums teilte mit: "Unsere Anteile am Flughafen kosten uns nichts. Für die Defizite kommt allein die HNA auf." Gespräche über einen Verkauf gebe es nicht.

(Rhein-Zeitung vom 24.10.2018)