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Über Ryanair wird einmal mehr wild spekuliert


Von Abzug ist derzeit nichts zu erkennen - Hahn-Geschäftsführung reagiert irritiert auf Gerüchte - Deutlich weniger Flüge Von unserem Chefreporter Volker Boch

Das Gefühl ist nicht neu, das Christoph Goetzmann, Leiter des operativen Geschäfts der Betreibergesellschaft des Flughafens Frankfurt-Hahn an diesem Dienstagmorgen haben dürfte. Das Telefon des Managers steht nicht still, seitdem am Montagabend ein Zeitungsartikel die Runde macht.

Darin wird ein bevorstehender Abzug der Fluglinie Ryanair vom Hahn skizziert. Auch wenn der Autor in dem Text ein Aus von Ryanair am Hahn andeutet und an anderer Stelle zugleich revidiert, ist die Symbolik deutlich: Am Hahn, so der Tenor, stehen alle Zeichen auf Sinkflug, der Flughafen befindet sich kurz vor dem Aufschlag. Entsprechend irritiert ist Goetzmann, der sich in den vergangenen Monaten immer wieder Bewertungen gegenüber sah, die auf ihn wenig sinnhaft wirken. "Die Nachricht vom Ryanair-Abzug ist Unsinn", sagt Goetzmann, "was wir hier sehen, ist in der Tat blamabel für die Presse, die das verbreitet." Besonders ärgerlich ist für ihn, "dass solche Nachrichten einfach übernommen werden".

Seit Mittwoch vergangener Woche ist der Flugplan von Ryanair auf dem Markt, wenngleich er noch nicht finalisiert ist, wie das Unternehmen auf Anfrage erklärt. Doch bereits seit dieser Präsentation sind Flüge buchbar - vom Hahn, der weiterhin ein Drehkreuz im Portfolio des irischen Billigfliegers darstellt. 25 europäische Ziele sind aktuell buchbar auf der Internetseite des Anbieters, neun davon liegen in Italien, sieben in Spanien, je drei in Griechenland und Marokko sowie jeweils eines in Irland, Kroatien und Lettland. Vor dem Hintergrund, dass Ryanair an diesem Sommerflugplan noch arbeitet, könnten bis zur endgültigen Festlegung weitere Strecken hinzukommen.

Die Nachricht vom Ryanair-Abzug ist Unsinn. Was wir hier sehen, ist in der Tat blamabel für die Presse, die das verbreitet.

Christoph Goetzmann, Mitglied der Geschäftsführung des Flughafens Hahn

Bleibt es bei dem derzeitigen Angebot, bedeutet der neue Flugplan keinen Abzug vom Hahn, aber eine deutliche Streichung von Zielen. Denn bis dato gibt es keine Verbindung nach Pisa in Italien oder auch nach England, die beliebte Route nach London wäre damit vom Hahn nicht mehr buchbar. Beliebte Reiseziele wie zum Beispiel Rom, Barcelona, Neapel oder Mallorca bleiben derweil im Plan. Insbesondere Palma de Mallorca ist eine Standardroute, die laut Internetseite ab April täglich angesteuert wird.

Wir kommentieren keine Gerüchte oder Spekulationen. Die noch ausstehenden Sommerflugpläne 2019 finalisieren wir derzeit.

Robin Kiely, Head of Communications von Ryanair

25 Ziele wären klare Reduzierung gegenüber früheren Sommerplänen

Bleibt es bei den 25 Zielen, die im Sommer vom Hahn aus angesteuert werden, reduziert sich das Engagement von Ryanair am Hahn deutlich. Nach der Verlagerung einer von fünf Maschinen im Vorjahr nach Frankfurt, würde dies eine weitere eklatante Veränderung bedeuten. Zum Vergleich: Im Jahr 2013 umfasste der Sommerflugplan der Iren 54 Strecken, 2014 und 2015 jeweils 44, 2016 sank die Anzahl dann auf 40. Im Plan 2017 gab es eine leichte Steigerung auf 43 Ziele und 2018 wieder eine Senkung auf 39 Strecken. 25 wären dagegen ein (negatives) Novum. Eine konkrete Anfrage zu den weiteren Plänen für die bevorstehenden Monate beantwortete Ryanair am Dienstag nicht - ein Umstand, der für das Unternehmen allerdings nicht ungewöhnlich ist. Die Gesellschaft beschränkte sich darauf, die Spekulationen nicht zu kommentieren. "Wir kommentieren keine Gerüchte oder Spekulationen. Die noch ausstehenden Sommerflugpläne 2019 finalisieren wir derzeit", erklärte Robin Kiely, Head of Communications von Ryanair.

Christoph Goetzmann unterdessen reagiert entsprechend überrascht auf den Wirbel. Er weiß, dass Verhandlungen mit der irischen Linie intensiv sein können. Er weiß auch um die Stärke des Drehkreuzes Frankfurt, das nach langen Jahren einer gewissen Ablehnung von Billigfliegern inzwischen lukrative Angebote schnürt vor dem Hintergrund, im Jahr 2023 ein drittes Terminal eröffnen zu wollen. Solche internationalen wie nationalen Marktgesetze sind dem Hahn-Manager bekannt. Aber von einem Abgesang auf den Flughafen Hahn kann aus seiner Sicht keine Rede sein. "Ich habe aus dem täglichen operativen Geschäft heraus keinerlei Indikatoren, dass Ryanair den Hahn verlässt", sagt er deutlich. "Das, was wir hier vor Ort tun, um den Flughafen für die Zukunft aufzustellen, spricht auch dagegen."

Seit dem Verkauf des Flughafens an den chinesischen Konzern HNA befindet sich die Betreibergesellschaft in einer Umstellungs- und Privatisierungsphase, die verschiedene Einschnitte mit sich bringt. "Wir werden das tun, was wir auch in den vergangenen Monaten getan haben und weiter an der Zukunft unseres Hauses arbeiten", erklärt Goetzmann, der den Flughafen vor einer "großen Herausforderung auch wegen des Zeitdrucks" sieht. Erfolge durch eine veränderte Struktur des Unternehmens sowie deutliche Steigerungen im Frachtbereich stehen demnach für "eine positive Entwicklung".

Fracht gegenüber dem September 2017 um 70 Prozent gesteigert

"Gegenüber dem Vorjahr hat sich das Frachtaufkommen um etwa 70 Prozent erhöht", sagt Goetzmann, der hofft, dass sich der Tarifkonflikt zwischen Ryanair und den Pilotengewerkschaften rasch am Verhandlungstisch beilegen lässt. Denn die Streikmaßnahmen hätten die Passagierzahlen des Flughafens im September belastet.

In diesem Zusammenhang erklärt Goetzmann auch, dass sich Ryanair in Deutschland keiner einfachen Grundhaltung gegenübersieht, wenn Gewerkschaften im Streit um die Entlohnung Begriffe wie "Kriegserklärungen" verwenden würden.

Für den Flughafen ist Ryanair ein Partner, der von großer Bedeutung ist, trotz aller mittelbaren Geschäfte des Passagierbetriebs aber nicht allein ausschlaggebend sein muss. Neben dem Frachtgeschäft regt so der Vorsteher des Zweckverbands Flughafen Hahn, Harald Rosenbaum, erneut an, die Entwicklung des gewerblichen Betriebs abseits des Fluggeschäfts künftig noch mehr in den Blick zu nehmen. "Andere Flughäfen wie Baden-Baden, Wesel oder auch Zweibrücken haben diese duale Entwicklung vorangetrieben", sagt der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg.

Vor dem Hintergrund, dass der Hochmoselübergang im kommenden Jahr fertiggestellt wird und es dann eine unmittelbare Anbindung an den Benelux-Raum gibt, könnten hiermit große Chancen verbunden sein, macht Rosenbaum deutlich. "Ob der Hahn ohne Passagierbetrieb aufrecht zu erhalten wäre, ist fraglich", sagt der VG-Chef, den die medialen Spekulationen um einen Ryanair-Abzug einmal mehr anstacheln, ergänzende Entwicklungen zu forcieren ohne dabei das operative Geschäft zu vernachlässigen. "Wir müssen dringend zu einem alternativen Konzept kommen, um parallel etwas zu entwickeln."

Zweckverband spricht von einem positiven Austausch mit Flughafen.

Die Kommunikation mit der Betreibergesellschaft sieht Rosenbaum als positiv an, neben regelmäßigen Treffen gibt es beim Flughafen die Bereitschaft, sich immer auch kurzfristig auszutauschen. Wie regionale Unternehmer, Beschäftigte und viele Begleiter des Hahns erlebt er einen Flughafen, der sich im Umschwung befindet, im Übergang vom staatlichen zum privaten Unternehmen, das sich in einem harten marktwirtschaftlichen Umfeld befindet. Umso wichtiger ist es für ihn, dass der Hahn auf stabilen Füßen steht - mit einer Stärkung des Gewerbebetriebs neben Passage und Fracht.

(Hunsrücker Zeitung vom 23.10.2018)