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Flughafen: Kostete dubioser Vertrag Hahn Millionensummen?


Rheinland-Pfalz - Die Ausgangslage am Flughafen Hahn ist explosiv: Gleich zwei Expertisen gehen der Frage nach, ob es beim äußerst lukrativen Geschäft mit der Passagierabfertigung mit rechten Dingen zugeht und zuging. Beide Gutachten erzielen höchst unterschiedliche Ergebnisse.

Von unserem Redakteur Dietmar Brück

Informiert wurde die Öffentlichkeit bislang aber nur über eine Variante - die der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Dornbach GmbH. Diese sieht in einem umstrittenen Vertrag mit der Serve & Smile Dienstleistungs-GmbH (SSD) keinen nennenswerten Schaden für die Flughafengesellschaft.

Eine zweite Expertise, von Fachleuten am Hahn und externen Experten erstellt, liefert dagegen nach Informationen unserer Zeitung für den hoch defizitären Flughafen ein brisantes Ergebnis. Demnach ist der 2009 ohne Ausschreibung verlängerte Vertrag extrem nachteilig für die Flughafengesellschaft. Allein 2013 sollen ihr im Passagierbereich rund 500 000 Euro entgangen sein, auf die Jahre gerechnet gar Millionensummen.

Fingierte Rechtsauskunft

Unstrittig scheint allein, dass die Vertragsverlängerung ohne Ausschreibung 2009 rechtswidrig war. Eine entlastende Rechtsauskunft für den damaligen Flughafenchef Jörg Schumacher erwies sich als falsch und war zudem rückdatiert und damit fingiert worden (wir berichteten). Klar dürfte auch sein, dass es mehr als ein bloßes Geschmäckle hat, dass der damalige Prokurist Stefan Maxeiner 2009 einen Vertrag für eine auffallend gewinnträchtige Firma (die SSD) einfädelte, die wenig später seine Ehefrau erwarb. Jörg Schumacher hatte das Geschäft abgesegnet.

Für die strafrechtliche Bewertung ist indes eine Frage vordringlich: Ist dem Flughafen durch diesen Deal nachweislich ein wirtschaftlicher Schaden entstanden? Ist dies der Fall, müsste die Flughafengesellschaft die damaligen Akteure nahezu zwangsläufig anzeigen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wären die Folge - und möglicherweise ein anschließender Prozess. Daher wird hinter den Kulissen des Flughafens und der Landespolitik offenbar hart darum gerungen, wie mit dem Komplex SSD umgegangen werden soll. Der unbequeme und streitbare Hahn-Geschäftsführer Heinz Rethage scheint wild entschlossen, eine gründliche Klärung zu erzwingen. Aber nicht nur er alleine. Um ihn herum gibt es offenbar eine Reihe von Hahn-Mitarbeitern, die einen Bruch mit dem alten System wollen.

Pikant ist: Bei der Erstellung des Dornbach-Gutachtens wurden Rethage und seine Leute nicht eingebunden. Hahn-Aussichtsratschef Salvatore Barbaro (SPD) ließ sich die Ergebnisse direkt vorlegen. Gespräche von Dornbach-Vertretern und den Schlüsselmitarbeitern im operativen Geschäft gab es offenbar ebenfalls nicht. Aber immerhin reichte Finanzstaatssekretär Barbaro jüngst ein ganzes Dossier an die Staatsanwaltschaft weiter. Wie vollständig dies ist, weiß derzeit niemand - und schon gar nicht, ob es die zweite Expertise in vollem Umfang samt allen ergänzenden Berechnungen enthält.

Rethage und seine Leute bereiten derzeit die Neuausschreibung des SSD-Vertrags vor, der 2014 ausläuft. Sie wollen die Kosten senken. Auch deswegen analysieren sie alle Geschäftsprozesse. Auf dem Prüfstand steht zudem die Gepäckabfertigung, die von der Handle & Smile GmbH (HSD), einer SSD-Tochter, abgewickelt wird. Auch hier steht eine Neuausschreibung an.

Dornbach habe eher Zahlenkolonnen durch-forstet, ohne mit den Praktikern vor Ort zu reden. Zudem wurde nicht berücksichtigt, wie stark sich die Arbeitsabläufe verändert haben, heißt es am Hahn. Vielleicht erklären sich daher die eklatant abweichenden Analyse-Ergebnisse.

Die Autoren der bislang noch unbekannten Expertise haben mit externen Spezialisten zusammengearbeitet. Aufgefallen ist ihnen, dass kaum berücksichtigt wurde, in welch hohem Maße der Platzhirsch Ryanair zum Online-Check-in übergegangen ist. Die irische Billigfluglinie kündigte das neue Verfahren bereits im Februar/März 2009 an. Man hätte dies in dem im April 2009 verlängerten Vertrag leicht berücksichtigen können. Doch die Vergütungssätze pro Passagier bleiben nahezu gleich, obwohl die SSD erheblich weniger Aufwand mit der Passagierabfertigung hat. Die Pauschalvergütung pro Passagier ist gestaffelt und liegt im Wesentlichen zwischen 1,90 und 2 Euro und nicht bei 1,20 Euro, wie zunächst angegeben.

Oft nur mit Handgepäck unterwegs

Zudem reisten viele Fluggäste seit März 2006 aufgrund der teuren Gebühren für die Online-Anmeldung bloß mit Handgepäck, bilanzieren die Flughafen-Experten. Ein weiterer Grund, um die Vergütungssätze, die der Hahn an die SSD zahlt, zu senken. Die SSD nimmt die Koffer an, die dann von der HSD weiterverarbeitet werden.

Dazu kommen die exorbitanten Gewinne. SSD (Passagiere) und HSD (Gepäck) sind auffallend profitabel, obwohl der Flughafen tief in die roten Zahlen rutschte und mit Steuermillionen gestützt werden muss. Die SSD etwa fährt Gewinne von 30 bis 40 Prozent vor Steuern ein. Von der Koblenzer Industrie- und Handelskammer heißt es hierzu: "Im Bereich unternehmensnaher Dienstleister - der insbesondere auch ausgelagerte Servicefunktionen aus der gewerblichen Wirtschaft umfasst - ist eine durchschnittliche Umsatzrendite von etwa 5 Prozent zu erwarten." Ganz selten werden mehr als 10 Prozent erzielt. Unklar ist zudem, wohin die Gewinne fließen. SSD und HSD haben stille Teilhaber.

Beim Steuerzahlerbund im Land schrillen die Alarmglocken. "Vetternwirtschaft, eine zurückdatierte Expertise und unerklärbare Traumgewinne - da kommt schon der üble Eindruck auf, dass der Flughafen Hahn unter der alten Geschäftsführung ein Selbstbedienungsladen für eine kleine Clique war", sagte Landeschef René Quandt unserer Zeitung.

(Rhein-Zeitung vom 19.03.2014)