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Offnungslos am Hunsrück
Flughafen Frankfurt Hahn droht das Aus

von Rüdiger Kiani-Kreß

20 Jahre nach seiner Eröffnung befindet sich das deutsche Billigflug-Mekka in Frankfurt Hahn im denkbar steilsten Sinkflug. Für die Hoffnungslosigkeit am Hunsrück sorgen die aktuellen Verkehrszahlen.

Nach einer wochenlangen Diskussion um die Zukunft seines Unternehmens platzte Johannes Endler der Kragen. "Die Liquidität des Unternehmens ist gesichert. Der eingeleitete Umstrukturierungsprozess ist auf einem guten Weg", stellte der Aufsichtsratschef des Flughafens Hahn vor einem Jahr in einer Presseerklärung fest.

Das war voreilig. Tatsächlich droht das Aus für den offiziell Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH (FFHG) genannten Airport, der – entgegen seinem Namen – auf etwa halber Strecke zwischen Frankfurt und Luxemburg liegt. In einem "Schlussbericht" genannten Brandbrief an die Aktionäre Rheinland-Pfalz (82,5 Prozent) und Hessen (17,5 Prozent) prophezeite jüngst die Geschäftsführung bis 2017 Verluste von mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr – bei gerade mal rund 50 Millionen Euro Umsatz. Hinzu kommt trotz einer Geldspritze der rot-grünen Landesregierung in Mainz im Frühjahr über 82 Millionen spätestens in 2017 eine "Liquiditätslücke" von rund 35 Millionen Euro. "Damit ist das Geschäftsmodell der FFHG nicht zukunftsfähig", urteilt die Geschäftsführung.

Für die Hoffnungslosigkeit am Hunsrück sorgen die aktuellen Verkehrszahlen. Der 1999 als Deutschlands erster Billigairport gestartete Flughafen wird 2013 wohl gut zehn Prozent weniger Passagiere und 20 Prozent weniger Fracht abfertigen als 2012. Im Vergleich zu den Rekordjahren 2007 und 2011 summiert sich das Minus gar auf rund 40 Prozent und sorgt für einen Rekordverlust von 20 Millionen Euro.

Bisher war dies kein Problem. In den 19 Jahren seit der Eröffnung haben die Länder die Verluste – wenn auch murrend – getragen, weil der Flughafen für immerhin 3000 Arbeitsplätze in der strukturschwachen Mitte von Rheinland-Pfalz sorgt. "Wir haben nicht nur die Jobs ersetzt, die beim Abzug der Amerikaner vom alten Fliegerhorst weggefallen sind, sondern auch die durch den Abbau anderer Industriezweige wie der Möbelindustrie verlorenen Arbeitsplätze", sagt Markus Bunk, seit Mitte Oktober zweiter Geschäftsführer der FFHG.

Jetzt, im 20. Jahr, ist mit den Blankoschecks der Bundesländer Schluss. "Die zu erwartenden Vorschriften der EU zu öffentlichen Beihilfen lassen dies in der gewohnten Form nicht mehr zu", sagt Bunk.

Ein Schock für die Fluggbranche

Für die Flugbranche ist das ein Schock. Zwar hat in Deutschland außer gut einer Handvoll großer Airports kein Flughafen je richtig Geld verdient. "Doch Hahn hat mit seiner Wachstumsgeschichte anderen Regionalflughäfen Mut gemacht, dass es langfristig auch ein sich selbst tragendes Konzept geben kann", sagt René Steinhaus von der Beratung A.T. Kearney in Berlin.

Für die aktuelle Flughafenführung rührt die Misere vor allem aus der Krise der Flugbranche. Die schwache Konjunktur und hohe Spritpreise haben den langen Billigboom gestoppt. Doch das sieht Alexander Tamdjidi, Luftfahrtspezialist der Beratung PA Consulting Group in Frankfurt, anders: "Der Strukturwandel hat letztlich nur die Schwächen des Geschäftsmodells verstärkt und die aktuelle Abwärtsspirale gestartet."

Denn Hahn konzentriert sich vor allem auf Billigfluglinien wie Ryanair. Das brachte zwar Wachstum, aber kein Geld. Die Iren zahlen laut Insidern bestenfalls drei Euro pro abfliegenden Passagier. "Tatsächlich braucht ein Flughafen mindestens 15 Euro, um seine Kosten zu decken", sagt Michael Garvens, Chef des Flughafens Köln/Bonn. Die Lücke konnte Hahn im Gegensatz zu größeren Airports kaum durch Nebengeschäfte schließen. Die Hoffnung auf Mehreinnahmen aus Läden am Flughafen scheiterten unter anderem daran, dass die Iren kein zweites Handgepäckstück wie Duty-free-Tüten an Bord zuließen.

Dazu schreckte die starke Stellung von Ryanair andere Linien ab. "Nur wer wie die ungarische Wizzair vor allem Strecken nach Osteuropa anbot, war geduldet", sagt ein Branchenkenner. "Wer wie Ryanair ans Mittelmeer fliegen wollte, bekam von denen das Signal, wir beißen euch weg."

Zu guter Letzt wurde Billigpionier Hahn ein Opfer des von ihm ausgelösten Booms der Flugdiscounter. "Weil Easyjet und Co. allein in Deutschland auf mehr als 20 Flughäfen landen und auch etablierte Linien wie Lufthansa günstige Tickets anboten, muss keiner mehr nach Hahn, wenn er billig fliegen will", sagt Berater Tamdjidi.

Auch der Versuch, anderswo vertriebene, nachtaktive Frachtlinien an den rund um die Uhr geöffneten Hahn zu locken, brachte wenig. Die notorisch geizigen Palettenflieger erwarteten Ryanair-mäßige Rabatte und boten jeweils nur wenige Flüge pro Woche.

Sparprogramm nicht überzeugend

Wer kam, ging am Ende wie Aeroflot oder Qatar Airways lieber wieder an einen zentraler gelegenen Flughafen, wenn der Platz hatte – wie Frankfurt nach der Eröffnung der neuen Landebahn. Spektakulär scheiterte der Versuch, eine hauseigene Frachtlinie am Hahn aufzubauen: Die Air Cargo Germany ging im Juli pleite, trotz einer Finanzspritze über fünf Millionen Euro von Flughafen und Landesregierung.

So verdiente der Flughafen am Ende zu wenig, um die Belastung durch eine finanzielle Erbsünde wettzumachen. Bei der Gründung des Airports 1993 bürdete die sozialliberale Regierung von Rheinland-Pfalz dem Flughafen die Kosten für die umliegende Infrastruktur auf. Damit musste das Fluggeschäft nicht nur wie bei anderen Airports Bau- und Betriebskosten für Startbahn, Terminal und Hangars erwirtschaften, sondern zusätzlich die Ausgaben für Zubringerstraßen inklusive Winterdienst, Kläranlage und den Rest der Anlagen aus der Zeit als Fliegerhorst der US-Luftwaffe. "Mit einem solchen Mühlstein am Hals ist ein Gewinn kaum zu schaffen", urteilt Berater Steinhaus.

Trotz der Probleme durch sinkende Einnahmen, hohe Schulden und das drohende EU-Verbot weiterer staatlicher Hilfen gibt Hahn-Geschäftsführer Bunk die Hoffnung noch nicht auf. "Die Lage ist sicher dramatisch, aber nicht hoffnungslos", sagt der Manager, der zuvor für den Energieriesen RWE und – ebenfalls hoch defizitäre – Airports wie Dortmund tätig war.

Er setzt auf das aktuelle Sanierungsprogramm. Dazu gehört, dass Rheinland-Pfalz die Infrastruktur abseits der Pisten übernimmt. Gleichzeitig wollen Bunk und sein Geschäftsführerkollege Heinz Rethage ein Sparprogramm starten und trotz der Widrigkeiten durch neue Fluglinien besonders im Frachtbereich die Einnahmen steigern.

Zumindest das Sparprogramm hat die nahen IHKs in Koblenz und Trier nicht überzeugt: "In der Summe kann es nicht einmal als halbherzig bezeichnet werden", schrieben die Kammerchefs Ende September ihrer Landesregierung.







(Wirtschaftswoche vom 11.11.2013)