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Sorgen um das Schlüsselprojekt Hahn


Hahn - Der Streit am Flughafen Hahn ist noch nicht beigelegt. Gastronom Reiner Scherer (Horbruch) hatte das Management des Flughafens Frankfurt-Hahn attackiert - und 38 Mitarbeitern seiner Gastronomiebetriebe am Hahn gekündigt. Wir haben uns vor Ort umgeschaut.

Hahn - Der Streit am Flughafen Hahn ist noch nicht beigelegt. Gastronom Reiner Scherer (Horbruch) hatte vor wenigen Tagen in unserer Zeitung das Management des Flughafens Frankfurt-Hahn attackiert, nachdem er 38 Mitarbeitern seiner Gastronomiebetriebe am Hahn gekündigt hatte. Mit dem vorherigen Flughafen-Chef Jörg Schumacher habe man gut zusammenarbeiten können, hatte Scherer erklärt. Aber inzwischen beschäftigt der Streit zwischen der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH und Scherer Juristen.

"Wenn Herr Scherer hervorhebt, dass er mit seinem Nachbarn Jörg Schumacher gut zusammen gearbeitet hat, dann wird das sicherlich so sein. Jedenfalls haben auch mit der aktuellen Geschäftsführung permanent Gespräche stattgefunden", erklärte nun der neue Flughafen-Chef Heinz Rethage in einer Stellungnahme. Hintergrund: Scherer und Schumacher wohnen beide in Horbruch.

Prüfung soll abgeschlossen sein

Die rechtliche Prüfung der von Scherer vorgebrachten Forderungen nach Ausgleichzahlungen ist laut Rethage inzwischen abgeschlossen: "Das Ergebnis liegt nun vor, und vereinbarungsgemäß werden wir uns kurzfristig mit Herrn Scherer zusammensetzen und es diskutieren. Wir hoffen auf eine einvernehmliche Lösung." In den geschlossenen Gastronomiebetrieben im Terminal - denen der Flughafen indirekt ein zu unflexibles Geschäftsmodell unterstellt - herrscht unterdessen Leerstand.

Rethage führte aus, dass aktuell "Verträge für fünf Gastroeinheiten" bestehen, "die nicht gekündigt sind und ordnungsgemäß weiterbestehen. Damit ist der Gastronom Scherer nach wie vor einer der größten Kunden und wichtigsten Partner im Terminal."

Die Kritik am Hahn richtet sich aber nicht nur gegen die Politik der Flughafen-Gesellschaft am Terminal. Beim Ortstermin erzählen Betroffene beispielsweise von viel zu hohen Mieten für Privatwohnungen auf dem Gelände. "Die Ryanair-Stewardessen würden doch nicht freiwillig in Büchenbeuren wohnen, wo sie morgens um 5 Uhr manchmal zu Fuß hierher laufen müssen, weil kein Taxi kommt", erzählt einer. "Auf dem Hahn sind die Wohnungen einfach zu teuer." Ein Blick auf die Internetseite des Flughafens ergibt: Eine 47 Quadratmeter große Etagenwohnung mit zwei Zimmern kostet kalt 282 Euro, rund 6,10 Euro pro Quadratmeter, zuzüglich pauschal 150 Euro Nebenkosten. Der Mietpreisspiegel für Büchenbeuren liegt deutlich darunter, dort gibt es zudem mehr Infrastruktur.

"Der Flughafen ist ein Schlüsselprojekt für den gesamten Hunsrück", sagt Harald Rosenbaum, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Kirchberg, "man braucht nur die Arbeitslosenzahlen anzuschauen." Zurzeit liegt die Region gut unter 5 Prozent und damit unter dem Landesdurchschnitt. Würde der Hahn aber floppen, rechnet Rosenbaum mit Arbeitslosenzahlen im zweistelligen Bereich. Allerdings sind die Beschäftigungszahlen - ebenso wie die Flugbewegungen und Passagierzahlen - rückläufig. 2008 erreichte der Hahn laut Betreiberzahlen seinen Spitzenwert von 3293 Arbeitsplätzen, bei der letzten Erhebung im Oktober 2012 waren es noch 3063. Rosenbaum erinnert daran, dass es überhaupt nur noch wenige Jobmotoren in der Region gibt. "Wenn man 20 Jahre zurückschaut, dann waren 800 Leute bei den Amerikanern auf dem Hahn beschäftigt, dazu 300 bis 400 bei der Bundeswehr, in der Hunsrücker Holzindustrie bei Felke und Tenhaeff etwa 800, 600 Mitarbeiter bei DynaPlastik in Kirchberg, 400 Menschen beim Fernmeldezeugamt in Simmern oder 1200 Mitarbeiter bei Steffen in Mastershausen."

Die meisten dieser Stellen gibt es im Hunsrück heute nicht mehr, parallel zu dieser Entwicklung kamen rund 8000 Neubürger in die Region. Harald Rosenbaum will mit solchen Zahlen verdeutlichen, wie wichtig der Hahn und eine funktionierende Infrastruktur für die Region ist. 560 Hektar liegen am Hahn mehr oder weniger brach - und solange das EU-Beihilfeverfahren läuft, ist das gesamte Großprojekt auf Eis gelegt. "Das Verfahren paralysiert", sagt Rosenbaum. Allerdings gibt es erste Signale aus Brüssel, die den Entscheidungsträgern Hoffnung machen.

Mertes spricht von Durststrecke

"Wenn es den Hahn nicht gäbe, wäre das so, wie wenn in der Stadt Simmern das Industriegebiet weg wäre", sagt der stellvertretende Hahn-Aufsichtsratsvorsitzende und Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD), "das müsste man sich einmal vorstellen, es wäre eine Katastrophe". Mertes spricht von einer Durststrecke, auf der sich der Hahn befindet. "Wir sind in den Mühen der Ebene." Der gesamte Flugverkehr in Deutschland sei um 7 Prozent zurückgegangen, das sei auch am Hahn spürbar. Mertes rechnet aber damit, dass sich das wirtschaftliche Klima nach der Bundestagswahl bessert. Zudem sieht er Anzeichen in Brüssel, dass die Ampel für den Hahn nicht mehr auf Rot steht. "Sie ist noch nicht auf Grün, aber auf vorsichtigem Gelb."

"Wir müssen die regionalen Unternehmen am Hahn halten", fordert der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Josef Bracht, "der Flughafen muss Akzeptanz in der Region haben." Er hat den öffentlichen Disput zwischen dem Gastronomie-Unternehmer Scherer und der Flughafengesellschaft genau verfolgt. Als Aufsichtsratsmitglied hat er die Flughafenleitung prompt zur Stellungnahme aufgefordert. "Das, was langjährige Partner sagen, muss man immer ernst nehmen", erklärt Bracht. Am 26. August gibt es eine Aufsichtsratssitzung mit Geschäftsführer Heinz Rethage. Es wird eine Zwischenbilanz erwartet. Der frühere LBM-Chef ist angetreten, um die Kosten zu senken, die Erlöse zu steigern und die innerbetriebliche strategische Ausrichtung zu überdenken.

Von unserem Redakteur Volker Boch

(^Rhein-Zeitung vom 10.08.2013)