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Flughafen Hahn: Prestigeobjekt mit vielen Baustellen


Hahn - Es sieht aus wie nach einer Flucht. Hinter den Glasfassaden liegt Ladeninventar verstreut herum, vom Siedekocher für Würstchen über Lampen und Brötchenkörbe bis zur Dekoration. Bilder der Leere, des negativen Wandels.

Von unserem Redakteur Volker Boch

Auch das ist der Flughafen-Hahn im Jahr 2013. Auf EU-Ebene kämpft die Politik gegen das Beihilfeverfahren an und um ein Plus an Lobby für den Hunsrück-Flughafen, vor Ort kämpft der Flughafen mit einer problematischen Infrastruktur. "Früher", beklagt ein Besucher auf der Aussichtsterrasse, "standen hier Bänke und Tische, da war sonntags richtig was los." An diesem sonnigen Nachmittag steht der Mann Anfang Sechzig allein auf der Terrasse und schaut auf die Rollbahn. Dort stehen Logistik-Jumbos und drei Ryanair-Maschinen. Die Familie des Mannes wird in wenigen Minuten mit Ryanair nach Portugal in den Urlaub fliegen.

Terminalabgabe als Auslöser?

Mit dem irischen Billigflieger verbinden viele Beobachter die Probleme des Hahns. Wegen des Streits um den "Hahn-Taler", der Terminalgebühr von drei Euro pro Passagier, hätten die Sorgen begonnen. Weil Ryanair sich weigerte, diese Abgabe zu zahlen, brach 2009 die rheinland-pfälzische Partnerschaft mit Hessen und vor allem mit dem Hauptanteilseigner Fraport. Dieser Knatsch und das Selbstbewusstsein der Landesregierung, den Hahn allein zu schultern, gilt bei vielen als Grundübel. Menschen, die jeden Tag am Flughafen arbeiten, sehen eine Reihe weiterer Probleme. Zum Beispiel, dass es von Beginn an zu viele Privilegien gegeben habe. Das Gastronomieunternehmen Scherer beispielsweise, das als einer der langjährigen Platzhirschen nach eigener Aussage seinen Ausstieg im Geschäftsbereich des Terminals vorbereitet, soll ebenso Privilegien genossen haben wie Ryanair oder auch das regionale Busunternehmen Bohr.

Abseits dieser müßigen Privilegien-Diskussion wirkt der Hahn beim Ortsbesuch optisch zumindest teilweise wie gelähmt. In der ersten Etage von Terminal 1 scheint es, als hätten Arbeiter die Geschäftsräume eilig verlassen. Auf dem Weg zur Aussichtsterrasse offenbaren sich dem Besucher wenig schöne Aussichten. Banner beschreiben Umbauarbeiten, doch wenige Zentimeter oberhalb dieser Banner erzählen die Hinweisschildern des früheren Scherer-Gastronomiebetriebs anderes.

Schlemmer-Baguettes werden dort nach wie vor angepriesen, dazu Nahe-Riesling, im ebenfalls leer geräumten Nachbargeschäft weist ein verwaistes Schild auf eine große Auswahl an Milkshakes hin. Aber das ist Geschichte. Die öffentlichen Telefonanlagen, die hier stehen, dürfte lange niemand mehr bedient haben, alle Ladenlokale im ersten Stockwerk sind leer. Der Blick hinunter durch ein Fenster zu den Gepäckbändern fällt auf einen Werbebanner des Flughafens: "Wir haben die passenden Werbeflächen für Sie" - die Eigenwerbung scheint jedoch gleichfalls verbesserungswürdig. Auch für die gesamte Region, denn im Terminal 1 wird lediglich für die Mosel geworben, der Hunsrück selbst ist lediglich beim Anflug auf den Hahn zu erkennen - als Windradland.

Offensichtlich ist, dass es vor Ort noch viel zu tun gibt. In vielen Ladengeschäften im Terminal ist nichts los an einem sommerlichen Nachmittag, der viele Reisende bringt. In den meisten Shops herrscht ein ähnliches Bild: Leere. Hinter der Kasse sitzt ein einsamer Mitarbeiter - Kunden fehlen. Lediglich der Airport-Bäcker hat normalen Zulauf, während in anderen Gastro-Betrieben bereits um 16 Uhr die ersten Stühle auf dem Tisch stehen.

Veränderte Mentalität der Kunden

Die Mitarbeiter am Hahn erzählen davon, dass sich auch die Mentalität der Kunden geändert habe in den vergangenen Jahren. Viele tauchten erst kurz vor dem Abflug am Schalter auf, mit zuhause geschmierten Brötchen. Aber dann gibt es für die heimischen Gastronomen noch das größere Problem mit dem US-Filialisten McDonald's, der Ende 2012 eingezogen ist und als einziges Unternehmen großflächig auf der Außenfassade des Terminals wirbt. "Ist doch klar, wie das läuft", sagt ein Beschäftigter am Hahn, "wenn eine Familie ankommt und die Kinder das McDonald's-Zeichen sehen, dann rennen die doch alle dahin." In der Tat herrscht bei McDonald's an diesem Nachmittag vergleichsweise ordentlich Betrieb.

Es sind Details, die das Bild im Negativen abrunden. Die Parkplätze direkt am Terminal sind extrem teuer, wer hier eine Woche oder länger parkt, zahlt bisweilen mehr als am Frankfurter Flughafen. Entsprechend leer ist auch das Parkhaus, während das Dorf Lautzenhausen immer mehr zum Freiflächen-Parkplatz wird. Ein anderes Mosaiksteinchen ist der Umgang mit dem Busverkehr: Nur zwei Linien dürfen offensichtlich direkt vor dem Terminal abfahren, die Linie nach Frankfurt und die Strecke Richtung Trier/Luxemburg. Alle anderen Busreisenden müssen gut 300 Meter zum Busbahnhof gehen, großflächige Hinweisschilder sucht der Reisende vergeblich. Insider sagen, dass es immer wieder vorkommt, dass Reisende ahnungslos in den erstbesten Bus am Terminal steigen, obwohl sie beispielsweise gar nicht nach Frankfurt fahren hinmöchten.

Der Flughafen ist das wichtigste Konversionsprojekt des Landes. Kenner des Hahns fordern ganz neue infrastrukturelle Weichenstellungen. Selbst dem Laien fällt vor Ort rasch auf, dass hier noch richtig viel zu tun ist.

(Rhein-Zeitung vom 10.08.2013)