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100 Jahre Luftfracht: Branche feiert nur verhalten

Rheinland-Pfalz - Zum 100. Geburtstag der Luftfracht-Transporte in Deutschland ziehen dunkle Wolken über der Branche auf. Zwar hat der Wirtschaftszweig über die vergangenen Jahre immer wieder große Zuwächse eingeflogen. Doch: "Die Luftfracht ist sehr eng an die Konjunktur gekoppelt", erklärt der Luftverkehrsexperte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, Johannes Reichmuth. "Wenn nun die Wirtschaft wieder in eine Krise gerät, zieht sie die Luftfracht automatisch mit."

Vor allem der Hunsrück-Airport Hahn hat jedoch in den vergangenen beiden Jahren vom Aufschwung profitiert - die Frachtraten haben sich seit 2007 fast verdoppelt. "Allerdings gibt es derzeit rückläufige Tendenzen", bilanziert Michael Bock, Geschäftsführer der am Hahn ansässigen Air Cargo Germany (ACG), das erste Halbjahr 2011. Grund: Auf seinem Hauptmarkt China werden die Margen durch hohe Überkapazitäten sowie geringere Personalkosten chinesischer Fluglinien gedrückt. "Die Frachtraten für die Rückflüge nach Deutschland sind praktisch im Keller."

Das bestätigt auch Dirk Steiger, Luftfrachtexperte des Marktforschungsinstituts Aviainform: "Eigentlich sind die deutschen Frachtfluglinien sehr gut aufgestellt, zugleich haben sie mit ihrem Sitz in den Hochlohnländern der EU klare Nachteile gegenüber den Konkurrenten aus China und der Golfregion."

Hinzu kommt seit 2007 das sogenannte Open-Skies-Abkommen zwischen EU und USA, das es den US-Linien erlaubt, auch von deutschen Flughäfen aus alle Ziele anzufliegen. Üblicherweise dürfen Fluglinien nur von ihrem Heimatland aus andere Länder bedienen. Die Folge: Auf dem Hahn sind die Amerikaner, so etwa Evergreen, Stammgast. Michael Bock spürt die Konkurrenz: "Wenn wir nicht aufpassen, fliegen sie einen in Grund und Boden." Steiger sieht hingegen auch die Chancen für kleine Firmen. "Wenn der Himmel für alle offen ist, zählen Qualität sowie die Zufriedenheit des Kunden und nicht, wer die größte Lobby hat."

Bock glaubt deshalb, dass sich die kleine Air Cargo Germany trotz wachsenden Konkurrenzdrucks behaupten kann. Unter einer Voraussetzung: "Die Nachtflugerlaubnis muss bleiben." Denn im Zielland bekommt die ACG meist nur nachts eine Landeerlaubnis und muss deshalb auch am Hahn nachts starten. Doch das Problem muss Firmenchef Bock zumindest vorerst nicht beschäftigen: In den Koalitionsverhandlungen der rot-grünen Landesregierung blieb das Thema unangetastet.

Von unserem Redakteur Peter Lausmann

Weiterführende Links zu Evergreen Airlines

(Hunsrücker Zeitung vom 19.08.2011)