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"Höher, schneller, weiter ist vorbei"

PODIUMSDISKUSSION Grüne beleuchten Probleme der Regionalflughäfen in Rheinland-Pfalz


17.03.2010 - MORBACH

MORBACH (red). Am Wochenende veranstalteten Bündnis 90/Die Grünen eine Podiumsdiskussion mit dem Titel "Auf und davon, vom Sinn oder Unsinn der Regionalflughäfen in Rheinland-Pfalz, am Beispiel Hahn" in der Baldenauhalle in Morbach.

Die Teilnehmer waren die Grüne Europaabgeordnete Franziska Brantner, Eveline Lemke, Landesvorstandssprecherin der Grünen, Professor Heiner Monheim von der Universität Trier, Uwe Andretta von der Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen sowie Jutta Blatzheim-Roegler, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr.

"Regionalflughäfen sind keine Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge", war die Meinung der Teilnehmer. Der Flugbetrieb müsse sich rechnen, sonst dürften keine öffentlichen Gelder fließen. Die hohen öffentlichen Subventionen, mit denen Bau und Defizite der Regionalflughäfen finanziert oder ausgeglichen würden, seien auf Dauer einfach nicht bezahlbar. Die Grünen befürchten, dass die Regionalflughäfen ohne den längst überfälligen Strukturwandel langfristig ein Millionengrab bleiben würden. "Deshalb sehen wir auch Planungen für Bitburg, Zweibrücken und Speyer kritisch", sagte Landesvorstandssprecherin Eveline Lemke. Das Land verkrafte weitere "Reinfälle wie am Hahn nicht mehr". "Nirgendwo in Deutschland gibt es eine größere Dichte an Flughäfen als in Rheinland-Pfalz - dazu sind sie defizitär."

Mehr als 15 Millionen Euro Verlustausgleich seien es alleine auf dem Hahn Jahr für Jahr. Das entspreche rund vier Euro Zuschuss pro Passagier. "Die Europäische Kommission sieht diese Art der Dauer-Subvention kritisch, da sie den Wettbewerb zwischen den Flughäfen verzerrt", erklärte die Grüne EU-Abgeordnete Franziska Brantner. "Ein Kommissionsuntersuchungsverfahren zum Flughafen Hahn läuft bereits, angestoßen durch eine Wettbewerbsbeschwerde der Lufthansa." Die Grünen sprechen sich für ein Nachtflugverbot in Europa und eine europaweite Kerosinsteuer aus. "Auf dem Hahn sind nicht die Ausgaben das Problem, sondern die Einnahmen", betonte Brantner. Der Monopolist Ryanair diktiere zu niedrige Preise und treibe den Flughafen ins Defizit. Mit dieser Methode setze Ryanair alle Regionalflughäfen unter Druck, um öffentliche Beihilfen und Vergünstigungen zu erhalten. 660 Millionen Euro europaweit seien dies nach einer kürzlich veröffentlichten Mitteilung von Air France, erläuterte Franziska Brantner weiter.

Professor Heiner Monheim brachte es auf den Punkt: "Das Zeitalter von höher, schneller, weiter, größer geht zu Ende." Kein einziger der Regionalflughäfen in Rheinland-Pfalz sei tatsächlich erforderlich. "Ich halte den Flugzeugverkehr für die umweltschädlichste aller Fortbewegungsarten", sagte Monheim. An der Schwelle eines neuen Zeitalters werde es nicht mehr möglich sein, für einen "Appel und ein Ei" durch die Welt zu jetten. Der Flughafen Hahn und die Hochmoselbrücke seien in gewisser Weise "Zwillinge" für die Region und Beleg für eine Landesregierung, die im Alltagsleben Vollgas gegen die Wand gebe.

"Für fünf Euro in den Urlaub - das bringt der Region außer Parkgebühren und den Ausgaben für eine Tasse Kaffee nix", wertete Uwe Andretta, Sprecher der örtlichen Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen. Der Flughafen stelle eben nicht den versprochenen Jobmotor für die Region dar. "Der Hahn hat die letzten Jahre nur Verluste eingefahren, 2008 mehr als 17 Millionen Euro!"

"Nicht einmal die Luftfracht, für die eine Startbahnverlängerung benötigt wurde, ist in der Gewinnzone", berichtete Andretta. Näher beleuchtet gingen 2008 und 2009 der größte Teil des Frachtumschlags als Militärtransporte vom Hahn ab. Und dies seien alte, schwere Transportmaschinen, die sonst nirgendwo mehr nachts landen dürften. "Wenn Kurt Beck und Hendrik Hering ein Nachtflugverbot für den Raum Frankfurt einfordern und gleichzeitig großzügig den Hahn anpreisen, dann komme ich mir vor wie ein Mensch zweiter Klasse", erklärte Andretta weiter.

Hahn und Hochmoselbrücke seien zwei weitere Problemfelder, erklärte Jutta Blatzheim-Roegler, Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr der Grünen. "Ende der 1990er Jahre wurde die Bürgerinitiative gegen das Brückenbauwerk gegründet, der es gelang, die Pläne teilweise zu stoppen." Erst durch das Krisen-Konjunkturprogramm würden nun 270 Millionen Euro für Brücke und Anschlüsse zur Verfügung gestellt. "Damit finanzieren wir wieder ein Millionengrab, das verkehrspolitisch überhaupt nichts bringt", so Blatzheim-Roeglers Überzeugung.







(Allgemeine Zeitung vom 17.03.2010)