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Passagiere am Flughafen Hahn wähnen sich in Hessen

Hahn/ Mainz/Wiesbaden Manchmal sind ganz einfache Fragen schwierig zu beantworten. Zum Beispiel "Wo bin ich"? Der Spanientourist Kurt Ebbers landet auf dem Hunsrück-Flughafen Hahn und betrachtet beim Warten auf seinen Koffer eine ganze Phalanx von Plakaten mit Hessen-Werbung über dem Gepäckband.

Werbung am Flughafen Hahn: Am touristischen Haupteinfallstor von Rheinland- Pfalz mit jährlich mehr als vier Millionen Passagieren wirbt Hessen so massiv und Rheinland- Pfalz so bescheiden, dass sich schon die Opposition im Mainzer Landtag darüber erregte.

Hessen? Rheinland- Pfalz? Darauf angesprochen wundert sich der Kölner Künstler: "Ach so - ich habe gar nicht registriert, dass wir hier in Rheinland- Pfalz sind.".

So wie ihm geht es vielen. Am touristischen Haupteinfallstor von Rheinland- Pfalz mit jährlich mehr als vier Millionen Passagie­ren wirbt Hessen so massiv und das Rhein- Mosel-Bundesland so bescheiden, dass sich schon die Opposition im Mainzer Landtag darüber erregte. Besonders pikant: Bereits seit längerem ist das Marketing am Flughafen Hahn für die verantwortliche Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hessen Agentur kostenlos.

Diese hatte an dem ehemaligen US- Fliegerhorst im Hunsrück zunächst eine - kostenpflichtige - Kampagne nur für den Sommer 2007 gestartet. Als sich später für einen Teil der Werbeflächen keine Nachmieter fanden, blieb eine Reihe der dortigen Hessen- Plakate einfach hängen - nun kostenlos. Der Geschäftsführer der Hessen Agentur, Dieter Kreuziger, sagt: "In der Fachsprache heißt so was "Durchhänger". Die sollen Leerflächen vermeiden. Da sind wir natürlich ganz froh."

Nun nimmt die Hessen Agentur jedoch wieder Geld in die Hand: In diesem August startet sie eine neue große Kampagne mit dem alten Hauptslogan "An Hessen führt kein Weg vorbei" am Flughafen Hahn. Die dortigen Passagiere der Hauptreisezeit bildeten genau die richtige Zielgruppe, sagt Kreuziger. "Da landen jetzt vor allem jüngere Menschen mit hoher Mobilität. Die wollen wir ansprechen." 20 000 bis 25 000 Euro pro Monat werde die mehrsprachige Kampagne kosten und voraussichtlich ein Vierteljahr lang laufen. Bestand­teile sind diesmal ein Riesenplakat am Parkhaus, ein "3-D- Turm", Plakate neben den Parkschein-Automaten, Werbung auf den Griffen der Gepäckwagen und wieder Plakate über den Gepäckbändern. Hinzu kommen soll ein Gewinnspiel im Oktober.

Eines der bereits seit längerem präsenten Plakatmotive zeigt beispielsweise in Anspielung auf die Frankfur­ter Hochhäuser den historischen Schlossturm von Bad Homburg: "Wir bauen schon immer Wolkenkratzer." Auch die anderen Motive streben laut Kreuziger ein "Wechselspiel zwischen Wort und Bild" und eine "gewisse Doppeldeutigkeit" an, um die Betrachter positiv zu verblüffen.

Immerhin findet sich auch ein bisschen Rheinland- Pfalz-Werbung am Flughafen Hahn. So heißt es an den Wänden auf Plakaten mit chemischen Formeln: "Die Gedanken sind frei. Das Erststudium auch." Umringt von Bundesländern mit Studiengebühren ist die rheinland- pfälzische SPD- Landesregierung stolz auf ihre kostenlosen Hochschulen.

Die Opposition im Mainzer Landtag sähe indes gerne deutlich mehr Rheinland- Pfalz-Marketing am größten Flughafen des Bundeslandes. "Es ist bedauerlich, wenn die Landesregierung im Gegensatz zu den Hessen nicht hinreichend die Chance wahrnimmt, bei ankommenden Gästen auf dem Flughafen Hahn für das schöne und attraktive Rheinland- Pfalz zu werben", moniert FDP- Fraktionschef Herbert Mertin.

Die CDU-Fraktion spricht gar von einem Schildbürgerstreich: Die SPD- Landesregierung lasse zwar einen Linienbus mit einem Rheinland- Pfalz- Aufdruck durch das ferne Berlin kurven, ignoriere aber weitgehend das große Werbepotenzial am Hunsrück- Airport. Bei der rheinland- pfälzischen millionenschweren Imagekampagne "Wir machen's einfach" müsse Geld in Richtung Hahn umgeschichtet werden.

Regierungssprecher Walter Schumacher kontert: "Auch wir waren schon am Flughafen Frankfurt mit Bannern präsent. Zeitweise werben wir auch an Umsteigebahnhöfen außerhalb des Landes, zum Beispiel in Mainz- Kastel, Frankfurt und Mannheim." Somit zeige Hessen in Rheinland- Pfalz und Rheinland- Pfalz in Hessen Flagge - warum nicht: "Man darf das auch nicht zu eng sehen, wir haben ja keine Mauer um unser Land gezogen." Zudem spiele das Geld eine Rolle. "Wenn wir zu massiv werben, prügelt uns die CDU wegen zu hoher Ausgaben", gibt der Regierungssprecher zu bedenken.

Wie auch immer: Hessen ist ohnehin direkt und indirekt Miteigentümer im Hunsrück. Denn das Nachbar­land hält 17,5 Prozent an der Flughafen Frankfurt- Hahn GmbH sowie fast 32 Prozent am Frankfurter Flughafen­betreiber Fraport AG. Dieser ist wiederum mit 65 Prozent in Hahn beteiligt. Frankfurt- Hahn? Auch dieser offizielle Name hat schon viele Passagiere verblüfft: Zwischen dem abgelegenen Hunsrück- Airport und der Rhein- Main-Metropole liegen 120 Kilometer. (Internet: www.hahn- airport.de; www.hessen- agentur.de)

(Rheinzeitung vom 30.07.2008)