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Nur ein Hungerlohn im Traumberuf

VON ECKHARD STENGEL, 02.04.08, 21:24h

Hannover - Nennen wir sie Frau X. Wenn die gelernte Flugbegleiterin über ihre Erfahrungen als Leiharbeiterin für Ryanair erzählt, gilt höchste Geheimhaltung. "Schreiben Sie bloß nicht meinen Namen!", bläut sie dem Reporter mehrfach ein. Ihre Angst kommt nicht von ungefähr. Denn laut Arbeitsvertrag drohen Frau X. Schadensersatzforderungen, wenn sie mit Interna in die Öffentlichkeit geht - obwohl sie inzwischen ausgeschieden ist.

Alle angehenden Flugbegleiterinnen, die für die irische Billigfluglinie arbeiten wollen, werden zunächst fünf bis sechs Wochen lang bei einer externen Firma ausgebildet. Frau X. zahlte dafür nach eigenen Angaben rund 3000 Euro. Wer nicht genügend Geld habe, sei bedrängt worden, einen Kredit bei der Bank of Ireland aufzunehmen - mit fast zwölf Prozent Zinsen.

Nach der Ausbildung werden die Stewardessen zunächst bei Personaldienstleistern angestellt und von diesen an Ryanair ausgeliehen - mit der Aussicht auf spätere Festanstellung bei Europas größter Billigfluggesellschaft. Die Arbeitsverträge, die unserer Zeitung vorliegen, lesen sich, als müsste sich das Kabinenpersonal mit Haut und Haar verkaufen. Die Probezeit für den Drei-Jahres-Vertrag dauert bis zu zwölf Monate. Noch im zweiten Jahr kann das Personal mit Wochenfrist gekündigt werden.

Eigentlich bekommen die ausgeliehenen Flugbegleiterinnen zwar eine feste Ryanair-Basis zugewiesen, aber bei Bedarf können sie an jeden anderen europäischen Standort versetzt werden - ohne Entschädigung. Bezahlt werden sie nur pro Flug: auf deutschen Stützpunkten mit 12,15 Euro für jede reguläre Flugstunde. Verspätungsbedingte Überstunden und das Reinigen der Kabinen - einschließlich Toiletten - am Zielflughafen bleiben unbezahlt. Das sei letztlich "ein Hungerlohn", urteilt Verdi. Die Zahl der Einsätze hängt allein vom Bedarf ab. "Mal hat man 500 Euro, mal 1000 Euro im Monat", sagt Frau X. Davon würden dann auch noch die Raten für den Ausbildungskredit und für die selbst zu bezahlende Uniform abgezogen.

Ohne jede Vergütung müssen sich die Stewardessen zudem an mehreren, nicht näher bezifferten Tagen pro Monat zu Hause einsatzbereit halten und bei Anruf innerhalb einer Stunde am Airport sein. Bezahlten Urlaub gewähren die Iren nur an 20 Tagen im Jahr. Lohnfortzahlung bei Krankheit ist gar nicht vorgesehen. Und bei Streiks oder Dienst nach Vorschrift "wird jegliche Vereinbarung mit dem betroffenen Personal beendet" - eine klare Kündigungsdrohung. Wie zum Hohn enden die Arbeitsverträge mit "Glückwünschen" zum neuen Job.

(Kölner Stadanzeiger vom 03.04.2008)