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Ein Skandal

Von Günther Nonnenmacher

Das Überflugverbot, mit dem Russland die Frachttochtergesellschaft der Lufthansa belegt hat, ist in seiner Bedeutung nur zu erfassen, wenn man es in das größere Puzzle russischen Verhaltens in den vergangenen Monaten einfügt: Moskau demonstriert rundum - in der internationalen Politik, auf dem Energiesektor, nun auch auf dem Gebiet der weltweiten Zusammenarbeit im Flugverkehr - seine wiedergewonnene Bedeutung, sein Macht- und Störpotential. Dass da wenige Tage zuvor gerade ein neues Abkommen geschlossen worden war, scheint den Kreml nicht zu interessieren; es wird einfach beiseitegeschoben. So viel zum Thema russischer Vertragstreue, die Putin im Ausland stets hervorzuheben pflegt. Vielleicht dämmert in Berlin jetzt einigen, dass die gegenwärtige deutsche Energiepolitik politisch höchst gefährlich ist, ganz abgesehen davon, dass sie technisch ins Reich der Utopie führt.

Solche Erpressungsversuche, bei denen es um mehr geht als nur um Geld, lassen sich abwehren, wenn man Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Das ist auch geschehen: Das Verkehrsministerium hatte umgehend russischen Gesellschaften die Überflug- und Landerechte entzogen. Hier beginnt nun der deutsche Skandal in dieser Geschichte. Denn Verkehrsminister Tiefensee (SPD) hat seine Sanktion, kaum ausgesprochen, schon wieder zurückgenommen - offensichtlich auf Intervention des SPD-Vorsitzenden Beck, der in diesem Fall als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz handelte. Ihm geht es um den Flughafen Hahn, der einem strukturschwachen Gebiet seines Landes wirtschaftlichen Aufschwung brachte, im Wesentlichen aber nur von zwei Kunden lebt: von dem Billigflieger Ryanair und von den Frachtflugzeugen der russischen Aeroflot.

Ein Ministerpräsident ist gewählt, um die Interessen seines Landes zu wahren. Ein Bundesminister sollte darüber hinaus erkennen können, ob es bei einer Entscheidung nur um ein paar Euro oder Rubel geht, oder ob da auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands auf dem Spiel steht. Im Übrigen sollte auch der Vorsitzende einer Regierungspartei genug Weitblick haben, um zu merken, dass es Dinge gibt, die wichtiger sind als die Strukturförderung im ländlichen Raum. Dies ist keine Provinzposse: Es ist politisches Versagen von beträchtlicher Tragweite.

(Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.11.2007)