Diskussionen ohne Ende

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Von der Notwendigkeit eines zivilen Flughafens und dem Verdacht des ersten Betruges
Positiver und negativer Lärm
Des Erörterungstermins zweite Folge

Von Claudius Schlickmann

KIRCHBERG. CS. Nicht anders als der Vormittag verlief auch der Nachmittag des ersten Tages im Erörterungstermin um den Zivil- und Nachtflughafen Hahn. Befangenheits-Anträge wurden, gestellt und angekündigt, Aussagen für spätere Gerichtsverfahren wörtlich notiert und Standpunkte ausgetauscht.

Das Ziel einer Annäherung oder gar der Einigung wurde weder erreicht, noch ins Visier genommen. Im Gegenteil: Beißender Zynismus bis hin zu beleidigenden Angriffen prägten zeitweise die Erörterung. Die Möglichkeit bereits vollzogener strafbarer Handlungen wurde seitens der Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen (B1) angenommen und angekündigt, daß man diesem Verdacht nun mit Hilfe der Staatsanwaltschaft nachgehen werde und schließlich brillierten deren Anwälte ebenso wie am Vormittag damit, mit Geschäftsordnungs- und Verfahrensdebatten die Erörterung zu sezieren.

Verhandlungsführer Gerhard Wirtz versuchte seiner Funktion gerecht zu werden, wußte den äußerst präzise vorbereiteten Flughafen-Gegnern und deren überaus geschickten Anwälten aber kaum etwas entgegenzusetzen. So wurden aus einer schriftlich angemeldeten Frage plötzlich bis über 20 und die zugelassenen Redner gaben schließlich ergänzend auch noch ihren Anwälten das Wort.

So kam es, daß die Debatte um die grundsätzliche Notwendigkeit eines Flughafens nicht um 11 Uhr vormittags beendet, sondern nach vielem hin und her gegen 17.30 Uhr zunächst vertagt wurde.

Gerhard Wirtz ging darauf ein, zwei von der BI benannten Ärzten Stellungnahmen zum Lärmgutachten der Betreibergesellschaft zu gestatten. Daß der Autor dieses Gutachtens anschließend Rederecht erhalte, wurde fest vereinbart. Nur nach den Aussagen von drei der BI zuzuordnenden Ärzten sei das Rederecht für den Autor des Gutachtens nicht mehr erforderlich, da die Kontra-Ärzte bewiesen hätten, daß er unwissenschaftlich gearbeitet hätte, meinte die Kontra-Anwaltschaft.

Dem wollte sich der Verbandlungsführer dann aber doch nicht fügen und es entbrannte eine hitzige Debatte auf wissenschaftlichem Mediziner-Niveau zwischen dem Gutachter und den Kontra-Ärzten, der das Publikum nur in Teilen folgen konnte. Kernaussage der Gegner: Es gibt - die Aufwachgrenze von 55 Dezibel zugrunde gelegt - keine Langzeituntersuchungen über Jahre und Jahrzehnte, ob nicht weniger Lärm auch krank machen könne. Und da diese Untersuchung nicht vorhanden sei, könne das Gutachten auch keinen wissenschaftlichen Anspruch erheben.

Und überhaupt: Es gebe positive und negative Geräusch-Erlebnisse. Fluglärm sei immer negativ. Straßenlärm hingegen sei positiv zu bewerten, da er dem Hörer signalisiere, daß er sich jetzt nicht auf die Fahrbahn begeben dürfe.

Ein bis drei Prozent aller Herzinfarkte sei auf Lärmbelästigung zurückzuführen, meinten die Gegner. Der Gutachter hielt dem aber entgegen, daß die meisten Herzinfarkte während Geburtstagen und Familienfeiern einträten.

Deal vereinbart?

Und dann war da noch der Verdacht des versuchten Betruges und der der Beihilfe zum versuchten Betrug: Dieser Tatbestand würde seitens der Betreibergesellschaft (A) und der Genehmigungsbehörde (B) nämlich bestehen, wenn das Touristik-Unternehmen TUI (C) von A und oder B die Versicherung erhalten habe, daß ihre geplanten Flüge im Sommer tatsächlich vom Hahn starten würden.

Denn dann hätte A - der sich bekanntlich aus Steuergeldern finanziert - B durch eine vorgreifende Maßnahme unter Druck gesetzt. Dieser Verdacht soll nun überprüft werden, denn C investiere nicht ohne konkrete Zusagen.

Erstaunlicherweise erfolgte hier kein Befangenheits-Antrag gegen den Landes-Verkehrsminister Brüderle, der behauptet haben soll, daß der Mallorca-Flug am 22. Mai notfalls per Sondergenehmigung erfolgen werde.

Der Erörterungstermin wurde gestern fortgesetzt; weiterer Bericht folgt.

(Hunsrücker Zeitung v. 02.04.1993)

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