Gibt es für den Hunsrück Alternativen zum Flugplatz Hahn

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Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen?
Referat von Dr. Wolf-Dietrich Hoffmann, Kleinich

1. Einleitung

Die Landesregierung und die für sie tätige Betreibergesellschaft machen uns unaufhörlich glauben, daß mit der Konversion des Militärflughafens Hahn zum Fracht- und Charterflughafen mit uneingeschränkten Nachtflugmöglichkeiten die Lösung für die wirtschaftlichen Probleme der Region schlechthin gefunden sei. Aus diesem Grunde müsse eine Umwandlung des Flughafens so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Alle, die hiergegen Bedenken anmelden, oder sich gar negativ äußern, werden in die Ecke der unverbesserlichen Totalverweigerer gestellt. Es wird von Beamten, Ehemännern von Zahnärztinnen, leitenden Angestellten und ähnlichen Individuen auf Ökotrip gesprochen, die im Grunde nichts anderes darstellen, als statuierte Zeitgenossen, die dem berechtigten Wunsch der Bevölkerung nach Arbeitsplätzen ignorieren, um ihren eigenen Partikularinteressen nachzugehen.

In den vielen Veranstaltungen der Bürgerinitiative und anderer kritisch eingestellter Organisationen wurde zwischenzeitlich aufgezeigt, daß

a) Arbeitsplätze: ja

die Gegner eines Nachtflughafens Hahn die Arbeitsplatznöte und Sorgen der Bürger auf dem Hunsrück sehr ernst nehmen. Natürlich setzen wir uns dafür ein, daß möglichst viele langfristig sichere neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Aus diesem Grunde haben die Flughafengegner auch immer wieder gefordert, daß die Landesregierung sich ernsthaft mit der Prüfung und Analyse von Alternativen auseinander setzt, und zwar nicht nur, um sie für Hahn zu verwerfen und sie dann an anderer Stelle zu realisieren, sondern, um wirklich etwas für unseren betroffenen Raum zu schaffen.

b) Arbeitsplätze um jeden Preis: nein

Wogegen sich die Flughafengegner allerdings sehr nachdrücklich ausgesprochen haben, sind Arbeitsplätze um jeden Preis. Es kann nicht angehen, daß wir zum Ausgang des 20. Jahrhunderts auf dem Hunsrück all diejenigen Fehler wiederholen, die typisch waren für die frühkapitalistische Phase vergangener Jahrhunderte. Der Hunsrück wurde ja gerade in den letzten vier Jahrzehnten durch die Abhängigkeit von einem dominierenden Arbeitgeber, nämlich dem Militär geprägt. Dadurch wurden erwünschte differenzierte Strukturentwicklungen verhindert. Der Ersatz dieser Abhängigkeit durch die neuerliche Abhängigkeit von einem Großprojekt wie dem Nachtflughafen wäre also nicht hilfreich. Gleichzeitig ist aber unverzichtbar, daß die berechtigten gesundheitlichen Sorgen und Ängste, die sich aus der Vorstellung eines Nachtflughafens Hahn ergeben, im Vorfeld ausreichend erörtert und bei einer Projektumstellung berücksichtigt werden. Dies ist schon im Ansatz nicht gegeben, wenn die Landesregierung und ihre Betreibergesellschaft einerseits von vornherein sich einseitig auf die Flughafenlösung festlegen und andererseits dies noch mit der Maximal-Forderung auf die Spitze treiben, uneingeschränkten Nachtflug zu fordern.

c) Verschwendung von Steuergeldern:

Jede Konversionsaltemative, soweit sie mit öffentlichen Geldern finanziert oder zumindest wesentlich unterstützt werden soll, muß auch wirtschaftlich sinnvoll sein. Dabei ist es sicherlich richtig, daß neben einer Projektwinschaftlichkeit,d.h. im Kein Gewinn und Verlustrechnung für die Betreibergesellschaft des Flughafens, übergreifende Effekte mit berücksichtigt werden müssen. Unserer Meinung nach muß eine Kosten/Nutzenanalyse für die gesamte Region vorgelegt werden, um den wirtschaftlichen Sinn oder Unsinn des Projektes beurteilen zu können. Die Betreibergesellschaft muß an dieser Stelle allerdings gewarnt werden. Sie glaubt, sie könne den Verweis auf die volkswirtschaftlichen "Spill-overs", d.h. auf die über das eigentliche Projekt hinausgehenden Folgeeffekte auf das Umfeld dafür argumentativ nutzen, ihre fehlende Eigenwirtschaftlichkeit zu kaschieren. Erlauben Sie mir die Vermutung, daß eine volkswirtschaftliche Analyse (Kosten/Nutzenanalyse) das Projekt nicht etwa retten und damit volkswirtschaftlich akzeptabel oder gar wünschenswert machen wird, sondern daß durch eine solche Rechnung noch viel deutlicher werden dürfte, welchen ökonomischen Unfug das Projekt unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten darstellt.

Als Steuerzahler, dessen Mittel hier zum Einsatz kommen sollen, müssen wir die Frage stellen dürfen, ob der geplante Einsatz von Steuergeldern lediglich der kurzfristigen, medienwirksamen (TUI-Flüge) Realisation eines Prestigeobjektes der Landesregierung dient, das schon mittel und erst recht langfristig zu einer Subventionsruine werden wird, oder aber, ob damit tatsächlich sichere Arbeitsplätze geschaffen werden.

Wie Sie wissen, wurde die Frage immer wieder an die Landesregierung und die Betreibergesellschaft gerichtet. Die ausweichenden Antworten und insbesondere die hartnäckige Weigerung, die geforderte Kosten-Nutzen-Analyse vorzulegen, lassen die Vermutung zu, daß die Verantwortlichen hier mit der Wahrheit hinter dem Berg halten, weil vermutlich selbst deren eigene Berechnungen kein vernünftiges wirtschaftliches Ergebnis aufzeigen. Die bisherige Abstinenz privater Investoren, mit denen so zahlreich verhandelt werden soll, sich außer dem Bekunden von Interesse auch konkret zu signifikanten Investitionen zu verpflichten, ist ein weitreichender Beleg für diese Vermutung.

2. Faktoren für die Beurteilung verschiedener Konversionsalternativen

a) Gesamtwirtschaftliche Einflüsse

Bei der Beurteilung der verschiedenen Konversionsalternativen spielt natürlich die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Situation und die sich daraus ergebenden Einflüsse auf die konkreten Vorschläge eine wichtige Rolle. In der gesamtwirtschaftlichen Diskussion über eine Umstrukturierung unserer Verkehrssysteme wird z.B. über die Empfehlungen der Enquete-Kommission zum Schutze der, Umwelt gesprochen, eine Verlagerung des Verkehrs von der Straße und aus der Luft auf die Schiene vorzunehmen. Ob diese Zielsetzung in den nächsten Jahren auch konkret angepackt und umgesetzt wird, wird entscheidenden Einfluß haben auf den künftigen Flugbedarf.
Angenommene und erhoffte Wachstumsraten sowohl für den Charterverkehr als auch mehr noch für den Luftfrachtverkehr könnten sich dann schnell in negative Raten umdrehen. Statt Bedarf nach zusätzlichen Flughafenkapazitäten könnte dann ein Überangebot entstehen mit erheblichem Wettbewerbsdruck. Entsprechend sind Einflüsse einzuräumen, die beispielsweise aus der Umsetzung der Recyclingdiskussion in konkrete Handlungsalternativen kommen. Solange beispielsweise alle vom Autorecycling sprechen, der Gesetzgeber jedoch keine oder nur halbherzige Vorschriften dazu ergreift, dürften Vorstellungen, über Autorecycling beispielsweise auf dem Hahn neue Arbeitsplätze zu schaffen, zumindest kurzfristig nur schwer realisierbar sein.

Auf einen Produktionsfaktor, welcher in den Überlegungen bislang nur unzureichend Berücksichtigung fand, insbesondere und ganz explizit hinzuweisen, nämlich die relative Unversehrtheit der Natur im Hunsrück im Vergleich zu vielen anderen Gebieten in Deutschland, ja in Europa. Dadurch bietet sich dem Hunsrück möglicherweise in der längeren Frist die Chance für neue zusätzliche wirtschaftliche Aktivitäten und damit für Arbeitsplätze. Der entscheidende Punkt, warum der Hunsrück hieraus wirtschaftliches Kapital schlagen könnte, liegt darin, daß die Region Hunsrück diese natürlichen Vorteile in unmittelbarer Nähe von großen Ballungsräumen bieten könnte, so daß es sich geradezu aufdrängt, den Hunsrück touristisch, und hier meine ich im Sinne eines sanften Tourismus, zu erschließen. Hierüber wird Herr Lothar Wilhelm später ausführlich berichten.

b) Projektbezogene Faktoren

Zu den projektbezogenen Einflußfaktoren möchte ich insbesondere auf folgende Überlegungen hinweisen:

* Bedarfsanalyse:

Gibt es für das Produkt oder die Dienstleistung, die aufgrund eines Alternativprojektes angeboten werden soll, nicht nur kurz-, sondern auch mittel und langfristig einen Markt, d.h., investieren wir in eine Seifenblase oder aber in ein langfristig tragfähiges Projekt?

* Investoren:

Mit was für Akteuren haben wir es zu tun? Handelt es sich bei den Investoren um wirtschaftlich verläßliche, kompetente Gesprächspartner, oder aber wird lediglich versucht, kurzfristig an mögliche staatliche Subventionen zu kommen, um sich mittel bis langfristig aus der Region wieder zu verabschieden?

* Vermarktungspotential Militärflughafen:

Der Militärflughafen Hahn besteht aus verschiedenen Elementen, die möglicherweise parallel unterschiedlichenNutzungen zugeführt werden können. Deshalb müssen Vorschläge zur Nutzung des Geländes auch unter dem Gesichtspunkt gesehen werden, daß es zu einer optimalen Nutzung aller Einzelkomponenten kommt, und nicht, daß einzelne Nutzungen die Verwertung anderer Anlagenteile erschweren oder gar unmöglich machen, wie dies sicherlich bei einem Nachtflughafen z.B. im Hinblick auf Nutzung der Housing der Fall sein dürfte.

Vermarktungspotential des ehemaligen Militärflughafens Hahn

Der Flughafen Hahn besteht aus einem etwa 565 Hektar großen Gelänge. Auf dem Gelände befindet sich zunächst einmal die eigentliche Flughafeneinrichtung mit einer etwa2.500 m langen Rollbahn, 60 Bunkern und etwa 30 Unterstellhallen sowie umfangreichen Tankanlagen.

Daneben gibt es auf dem Gelände eine Wohnsiedlung mit etwa 700 Wohnungen und Unterbringungsmöglichkeiten füre twa 3.800 Personen (zusätzlich zu den 700 Wohnungen oder inkl.?). Die Wohnsiedlung verfügt über eine eigene Kirche, einen Kindergarten sowie einer großzügigen Schulanlage sowie ein eigenes Krankenhaus (richtig?). Daneben bestehen Geschäfte und drei Kinos.

Die Anlage selbst ist über die Bundesstraße 327 bzw. Bundesstraße 50 sowohl von der A 61 als auch von der A 60/A 48 zu erreichen. Über Bingerbrück/Simmern besteht ein Eisenbahnanschluß, der allerdings seitens der Bundesbahn, sollte hier nicht natürlich eine neue Nutzung gefunden werden, stillgelegt werden soll. Anbieten würde sich in diesem Zusammenhang ein S-Bahn-Ausbau in das Rhein-Main-Gebiet, alleine schon, um den dahingehenden Pendlerverkehr von der Straße auf die Schiene zu holen und damit eine vernünftige Alternative zu dem geforderten Schnellstraßen-Ausbau zu erreichen.

Für die weiteren Überlegungen ist zu fragen, wie Nutzungsalternativen gefunden werden können, die nicht einseitig nur auf die Nutzung einzelner Komponenten abheben, sondern die so ausgestaltet sind, daß es zu einer optimalen Nutzung aller Elemente der Anlage kommt. Im folgenden möchte ich auf einige Einzelalternativen eingehen um dann später auf die Frage einer kombinierten Verwendung zurückzukommen.

Aufgrund der Beschaffenheit der Anlage, einerseits mit der Rollbahn eine große versiegelte Fläche, mit den Bunkern versiegelte Großbehälter und andererseits mit der Housing im Grunde eine komplette Siedlung, drängt es sich auf, nach Nutzungsmöglichkeiten zu suchen, die die Nutzung beider Möglichkeiten optimal miteinander verknüpft. Für den technischen Teil lassen sich die Nutzungsmöglichkeiten neben der uns allseits bekannten Nutzung für den Flugbetrieb die bei Nachtflugbetrieb die Nutzung der Housing sicherlich stark einschränkt bis weitgehend unmöglich macht, in erster Linie nutzen für Aufgaben des Recyclings, wobei Recycling heute für die verschiedensten Arten der einerseits Abfallverwertung und andererseits Rückgewinnung steht.

Alternative Nutzungsmöglichkeiten für den eigentlichen Flughafenbereich

Auf drei Möglichkeiten möchte ich hier weiter eingehen: da ist zum einen das Bodenrecycling, was sich geradezu aufdrängt als erste Stufe einer Verwertung des Flughafengeländes, gleich, welche Nutzung später vorgesehen wird, ja selbst dann, wenn es sich um eine zivile Flugnutzung handeln sollte. Dann wären zu nennen Nutzungsmöglichkeiten für Produktrecycling und bei Produktrecycling wieder zwei Produktkategorien, die heute ganz besonders problematisch dastehen im Hinblick auf ihre Weiterverwertung, das waren das Autorecycling und zum anderen das Recycling von High-Tech-Apparaten.

Alternative Nutzungen für den Housing-Bereich

Als Verwendungsmöglichkeit für den Housing-Bereich bieten sich Verwendungen im Gesundheitswesen an, beispielsweise Rehabilitationskliniken, Müttergenesungswerk, Behindertenprojekte. Als weitere Verwendungsmöglichkeit im Housing-Bereich kämen in Frage der Ausbildungssektor im weitesten Sinne mit der Möglichkeit der Errichtung von Fachhochschulen, dem Betrieb von universitären Einrichtungen, wobei keinesfalls in der Richtung einer neuen Universität als solches gedacht ist, sondern vielmehr daran, einzelne Fachbereiche oder Institute von überfüllten Hochschulen auszulagern, wobei beispielsweise an geisteswissenschaftliche Bereiche gedacht werden könnte, die im wesentlichen Hörsäle und Bibliotheksarbeitsplätze benötigen, wie sie im Schulbereich des Housing bereits in einem erheblichen Umfange vorhanden sind. Gedacht werden könnte auch an eine Sportschule (unter Nutzung der der Schule angeschlossenen sehr guten Sporteinrichtungen); ebenso könnte man sich Ausbildungs- und Fortbildungszentren vorstellen.

Durch die Errichtung von Ausbildungseinrichtungen hätte man gleich mehrere Vorteile:

  1. - Nutzung der vorhandenen Einrichtungen im Housing-Bereich
  2. - Nachfrage nach Wohnraum in den umliegenden Gemeinden
  3. - Kaufkraft der Angestellten ebenso wie der Nutzer (Studenten)

Kombi-Nutzung für Flughafengelände und Housing-Bereich:

Die interessanteste und wahrscheinlich am meisten zukunftsorientierte Lösung dürfte eine Kombination aus Nutzung des Flughafenbereichs in Verbindung mit einer Nutzung der Housing für Schulungs- und Ausbildungszwecke sein. So könnte man sich vorstellen, daß im Housing-Bereich eine Fachschule für Umwelttechnologie, insbesondere Recyclingtechniken errichtet wird und auf dem Flughafengelände dazu verschiedene Recyclingtechnologien zur wirtschaftlichen Anwendung gebracht werden. Durch eine solche Kombination würden auch unterschiedlich qualifizierte Arbeitsplätze geschaffen. Der Hunsrücker Jugend würde die Chance geboten, auch mit qualifizierter Ausbildung auf dem Hunsrück einen Job zu. Im Produktionsbereich könnten mehrere mittelständischen Unternehmen angesiedelt werden, so daß es zu einer Risikostreuung käme.

Schlußfolgerung:

(Artikel Hunsrückforum Nr. 56 vom Juni/Juli 1993)

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