Nachtflughafen - eine Fehlinvestition

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Stellungnahme des Georg-Forster-Institutes Mainz zum Flugplatz Hahn

Im November 1992 schloß das parteiunabhängige Georg-Forster-Institut im Auftrag der Fraktion "Die GRÜNEN" des Landtages Rheinland-Pfalz eine Stellungnahme zum Gutachten der Prognos AG "Möglichkeiten der Umnutzung bestehender Militärflugplätze in Rheinland-Pfalz in zivile Verkehrsflughäfen" ab. Auf einer Pressekonferenz am 29.1.93 stellten die Auftraggeber die hauptsächlich von Prof. Dr. Hermann Bartmann, Professor für Umweltökonomie an der Uni Mainz, erarbeitete Studie der Öffentlichkeit vor. Das Hunsrück-Forum zitiert die wichtigsten Passagen:

"Bei der Prüfung der ökonomischen Chancen ist auch zu erörtern, wie sich eine zukünftige ökologische Verkehrspolitik mit Maßnahmen zur Reduktion des Flugverkehrs, wie sie etwa von der Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" vorgeschlagen wird, auf diese Chancen auswirkt. Wenn dort (EK, Teilband 11, S.671) etwa bis zum Jahre 2005 eine Verlagerung von 60 Prozent des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene empfohlen wird, würden bei Realisierung dieser Forderung erhebliche Flugplatzkapazitäten frei und damit Neu und Ausbauten unsinnig."

"Wir kommen zu folgender zusammenfassenden Bewertung:
Erstens: Die wirtschaftlichen Chancen eines neuen Zivilflughafens Hahn in Konkurrenz zu den seit langem etablierten und bekannten, alten Flughäfen sind in höchstem Maße ungewiß. Ohne weitere intensive Prüfung von Marktchancen und Investitionskosten ist das Projekt nicht zu empfehlen. Die wirtschaftlichen Chancen sinken um so eher, je schneller und umfassender die jetzt schon notwendige ökologische Verkehrspolitik realisiert wird.

Zweitens: Der geplante Flughafen Hahn ist aus ökologischen Gesichtspunkten abzulehnen. Diese Auffassung gründet sich in geringerem Maße auf die Tatsache, daß eine ökologische Begutachtung in derselben Gründlichkeit wie sie für die ökonomische Seite vorliegt, nicht in Auftrag gegeben wurde. Selbst wenn ein solches Gutachten die Umweltverträglichkeit feststellte, ist das Projekt aus übergeordneten ökologischen Gründen negativ zu beurteilen.
Wie die Landesregierung immer wieder betont, ist die Voraussetzung für die zivile Umnutzung von Hahn die Aufhebung des Nachtflugverbotes, denn damit verschaffe sich der Flughafen einen in Europa einmaligen Wettbewerbsvorteil. Und nur wenn diese Restriktion falle und die Bevölkerung dies unterstütze, werde die Landesregierung das Projekt durchführen.

Ökonomisch mag dieser Vorteil ausreichen, um den Flughafen lebensfähig zu machen oder nicht. Ökologisch wird damit ein Tabu gebrochen, das den bisherigen Luftverkehr immer noch in Grenzen gehalten hat. Gerade wenn die Erwartung eintrifft und der neue Flughafen sich mit dem Mittel des Nachtflugbetriebes am Markt durchsetzt, werden die Beschränkungen auf den anderen größeren Flughäfen nicht mehr zu halten sein. Es ist schwer genug, ökologisch notwendige Grenzen ohne Wettbewerbsnachteile neu einzuführen. Um so wertvoller sind Beschränkungen, die bereits jetzt allgemein gelten und damit wettbewerbsneutral sind. Solche Regelungen um eines einseitigen Vorteils willen außer Kraft zu setzen, verstößt gegen das Gemeinwohl. Die Nachtruhe des Flugbetriebes über der Bundesrepublik ist ein externes Gut, dass für eine punktuelle regionalpolitische Förderungsmaßnahme nicht zur Disposition steht.

Drittens: Unter strukturpolitischen Gesichtspunkten ist die Umnutzung der Airbase-Hahn zum zivilen Frachtflughafen ebenfalls nicht gutzuheißen. Eine positive strukturelle Entwicklung der Rhein-Hunsrück-Region wird so weiterhin unterbunden, da sie die Abhängigkeit von einem Großprojekt fortsetzt. Ein Scheitern des Flughafenprojektes würde die ohnehin schon schlechte Arbeitsmarktsituation ausweglos machen. Ein Gelingen würde andere Entwicklungen zu Kurort, Erholung und Tourismus beeinträchtigen."
"Neuinvestitionen im Flughafenbereich sind teuer für die öffentlichen Hände und damit den Steuerzahler. In 10 bis 20 Jahren ist schon ohne Ausbau eher mit Überkapazitäten zu rechnen. Der Wettbewerb durch Kapazitätsangebote wäre allenfalls dann erträglich, wenn das Fehlinvestitionsrisiko von privaten Unternehmen getragen würde und nicht mit hohen finanziellen Risiken zu Lasten der öffentlichen Hände verbunden wäre.

Schon bei rein ökonomischer Betrachtung ist insofern beim jetzigen Kenntnisstand über Markt- und Nachfrageentwicklung das Projekt Zivilflughafen Hahn abzulehnen, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Fehlinvestition darstellt, die den Steuerzahler noch lange belasten wird.

Zu dieser rein ökonomischen Sicht treten die folgenden ökologischen Aspekte:

In wieweit die Option auf eine künftige militärische Nutzung bei der Entscheidung der Landesregierung eine Rolle spielt, ist unbekannt. Sollte dies der Fall sein, wären einige Widersprüche in der Argumentation des Wirtschaftsministeriums erklärbar!
"Führt die Aufhebung des Nachtflugverbotes nicht zu dem erhofften wirtschaftlichen Durchbruch, ist dennoch ein planungstechnischer Präzedenzfall geschaffen worden, der ökologisch in die falsche Richtung führt. Gerade die unabdingbare Verknüpfung derUmnutzung des Flugplatzes mit der Aufhebung des Nachtflugverbotes macht das Projekt ökologisch überregional gefährlich!"

"Schließlich kann der Flughafen Hahn auch wegen der Belastungen für die im Hunsrück lebenden Menschen nicht akzeptiert werden. Die Frachtflugzeuge benötigen beladen bis zu 15 km für Steig- und Landeanflug. Die Lärmbelästigung -insbesondere in der Nacht - ist unerträglich und gesundheitsschädigend. Auch dadurch werden andere mögliche Entwicklungen (sanfter Tourismus, RehaKlinik, Schulungszentren usw.) behindert."

Nutzungsalternativen
"Die folgende Aufzählung kann eine fachmännische Untersuchung wirtschaftlicher Vor- und Nachteile und Realisierungschancen nicht ersetzten. Jede Alternative muß sorgfältig geprüft werden, ehe sie ernsthaft angegangen wird. Auch unter ökologischem Gesichtspunkt ist nicht von vornherein klar, welche die günstigste Alternative wäre. Betrachtet man die verschiedenen Vorschläge, die bisher bekannt wurden, so wird jedenfalls klar, daß es nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe in etwa gleich plausible Entwicklungsmöglichkeiten für die Region gibt, nur muß erst einmal mit dem hergebrachten Gedanken, daß alles an einem Großprojekt auszurichten und es ansonsten keine Hoffnung für die Region gibt, aufgeräumt werden."

"Mögliche Alternativen in der Sicht der Landesregierung"

In Beantwortung des Schreibens eines Anwohners des Flugplatzes Hahn (27.03.92 an DR. W.-D. Hoffmann) hat die Landesregierung zu folgenden Alternativen Stellung genommen:

Hochschulstandort
Der Bereich Hahn ist nach Auffassung der Landesregierung als Hochschulstandort wenig geeignet, da infrastrukturelle Voraussetzungen und die Anbindung an bestehende Einrichtungen nur teilweise gegeben und nur mit großem Aufwand zu schaffen sind. Für die notwendigen umfangreichen Investitionen der öffentlichen Hand reichen deren Finanzmittel nicht aus.
Der Einschätzung ist generell entgegenzuhalten, daß ein ordentlicher Investitionsvergleich nicht über den Daumen gepeilt werden kann. Welche öffentlichen Investitionen auf der anderen Seite für eine zivile Umnutzung zum internationalen Großflughafen erforderlich sind, welche Anbindungen an bestehende Einrichtungen von der öffentlichen Hand geschaffen werden müssen, kann ohne eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse beider Optionen im Vergleich nicht hinreichend sicher beurteilt werden.

Schaffung sozialer Einrichtungen
Die Nutzung des Flughafengeländes durch Einrichtungen wie Müttergenesungswerk, Behindertenhäuser, Justizvollzug oder Feuerwehrschule sind nach Auffassung der Landesregierung allenfalls partielle Lösungsversuche, die keinen Ersatz für eine Gesamtverwertung des Flughafens Hahn darstellen. Sie bieten nur wenig interessante Arbeitsplätze, sind überwiegend von öffentlichen Investitionen abhängig und ihre indirekten Wirkungen auf die regionale Wirtschaft stuft die Landesregierung als vergleichsweise gering ein.

Auch hier ist das Urteil schnell gefällt, wenn man einen Vergleich mit der Nutzung als Zivil- und Nachtflughafen nicht ernsthaft vorhat. Die Zahl der Arbeitsplätze und ihr Niveau, die Höhe öffentlicher Investitionen, die nicht alle aus dem Landeshaushalt kommen müssen, insbesondere aber der indirekte Wertschöpfungseffekt können nicht ohne ein konkretes, zahlenmäßig ausgearbeitetes Programm für beide Optionen abgeschätzt werden. Gegenwärtig existiert ein solches Programm nicht einmal für die favorisierte Option eines Nachtflughafens.

Industrie- und Gewerbe- oder Technologiepark
Hier sind nach Auffassung der Landesregierung die Bedingungen ungünstiger als anderswo. Die Begründung müßte noch gegeben werden.

Die Kürze mit der dieser Vorschlag abgelehnt wird, ist ein Hinweis darauf, daß diese Alternative nicht ernsthaft geprüft wurde."

"Unter strukturpolitischern Aspekt sollte man von der verfrühten Fixierung auf eine einzige Entwicklungslinie Abstand nehmen. Man kann mit bestem Willen die wirklich geeignete Alternative für, die Entwicklung des Hahn zum jetzigen Zeitpunkt nicht zweifelsfrei erkennen. Es empfiehlt sich, allein zum Zweck der Risikominimierung so vorzugehen, daß mehrere Optionen offen bleiben. Auch die Pläne für die von der Landesregierung favorisierte Option sind noch nicht so weit gediehen, daß notwendigerweise alle anderen Optionen jetzt schon zu verneinen wären. Unter pragmatischem Gesichtspunkt empfiehlt sich eine unmittelbare Verstärkung der Aquisitions- und Ansiedlungsaktivität mit zunächst einmal weitreichendem Spektrum. Das schließt selbstverständlich eine Nutzung der vorhandenen Fluginfrastrukturein. Aber diese Infrastruktur darf andere Nutzungen nicht ausschließen.
Die einmalige landschaftliche Schönheit des hohen Hahn ist ein Potential, das für viele gewerbliche Aktivitäten eine Anziehungskraft ausstrahlen kann. Man darf sie nur nicht zerstören."

(Hunsrück-Forum Nr. 54)

(Artikel Hunsrückforum Nr. 54 vom Februar/März 1993)

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