Es scheint, dass jeder ein schönen Luftballon von den Chinesen aufgeblasen bekommen hat!

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Was planen die Chinesen auf dem Hahn?


Investition Geschäftskonzept der Käuferfirma noch ohne stabiles Fundament - Keine Gespräche mit Ryanair - Bedarf für Pilotenschule

Von unserem Redakteur Dietmar Brück

Rheinland-Pfalz. Wer steigt in ein Boot, das leckt? Oder anders gefragt: Wer kauft ein Schiff, in dessen Rumpf langsam Wasser hineinläuft? Auf den Flughafen Hahn übertragen, haben sich die chinesischen Investoren exakt zu einem solchen Schritt entschieden. Sie erwerben einen Flughafen, der jedes Jahr ein sattes zweistelliges Millionendefizit einfährt. Um dieses Finanzleck abzudichten, brauchen sie sehr schnell neues Geschäft, also zusätzlichen Umsatz. Doch genau dieser ist auf die Schnelle nicht auszumachen. Gesucht wird also ein zugkräftiges Businessmodell, eine überzeugende Geschäftsidee.

Wenn die Verkaufsverhandlungen im Spätsommer von allen Instanzen besiegelt wurden, läuft die Uhr. Der neue Besitzer, die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT), muss eilig raus aus den Miesen. Sonst sind die staatlichen Betriebsbeihilfen von 25,3 Millionen Euro schnell aufgebraucht.

Spätestens im August/September muss der Vertrag, der das Frachtflugunternehmen Yangtze River Express zurück in den Hunsrück holen soll, unter Dach und Fach sein. Im günstigsten Fall würde die Tochtergesellschaft des chinesischen Luftfahrtkonzerns HNA Group bereits zu diesem Zeitpunkt vom Hahn aus fliegen. Branchenkenner wundern sich ohnehin, dass der künftige Besitzer des Flughafens, also die SYT, mit dem Kaufvertrag nicht gewartet hat, bis der große Umsatztreiber sicher mit an Bord war. Die aktuelle Investition wäre so zu einem deutlich risikoärmeren Geschäft geworden.

Doch was wissen wir über das Geschäftsmodell der Shanghai Yiqian Trading Company (SYT)? Die Chinesen wollen über den Hahn den Import leicht verderblicher Lebensmittel nach China organisieren. Der Hunsrück-Airport würde noch stärker zum Frachtdrehkreuz. Nur haben die meisten Großkonzerne bereits ihre Lieferketten stehen. Die Investoren bräuchten also einen strategischen Partner.

Ausbildung wäre Marktlücke


Auch der Aufbau einer Pilotenschule gilt in Fachkreisen als nicht völlig unrealistisch. Die meisten chinesischen Piloten werden derzeit in den USA ausgebildet, kaum welche in Europa. Da könnte der Hahn in eine Marktlücke stoßen. Aber eine Pilotenschule bedarf einer aufwendigen Vorbereitung. Die Realisierung eines solchen Projekts braucht Vorlauf.

Und der angestrebte Anschluss an die Nato-Pipeline, die direkt am Flughafen verläuft, ergibt nur Sinn, wenn die Fracht und Passagierzahlen deutlich hochgehen. Die chinesischen Investoren haben angekündigt, mehr Touristen nach China zu fliegen - und vor allem mehr chinesische Gäste nach Europa. Der Hunsrück würde zum Tor in die europäische Welt.

Der Flughafen Hahn bräuchte allerdings, um im Passagierbereich kräftige Zuwächse zu erzielen, eine Fluggesellschaft als Partner, die Langstrecken bedient. Der Platzhirsch Ryanair kommt nicht infrage. "Wir sind eine reine europäische Airline und wollen das auch bleiben" , so Tim Howe Schröder, Vertriebsleiter Deutschland für die irische Billigfluggesellschaft.

In Luftfahrtkreisen wird die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Ryanair die Fluggäste aus China in Europa verteilen könnte - vom Hahn aus. Dafür müssten die Iren aber Verbindungsflüge anbieten. Bisher betreiben sie ein reines Point-to-Point-Geschäft: Jeder Flug bedient eine Strecke. In den Flughäfen London Stansted und Barcelona experimentiert Ryanair nun erstmals mit Verbindungsflügen, aber ausschließlich innerhalb des eigenen Flugnetzes. Eine Kooperation mit einer chinesischen Fluggesellschaft wäre eine neue Dimension. "Ganz abwegig ist das nicht", so Ryanair-Manager Schröder zu unserer Zeitung. Gespräche der Chinesen mit der irischen Fluglinie gab es noch nicht.

Produktionshallen am Flughafen


Daneben existieren weitere Ansätze, um den Hahn wirtschaftlich nach vorn zu bringen. Airport-Experten halten es für denkbar, dass die Chinesen Produktionshallen rund um den Flughafen errichten, um einheimische Produkte auf deutschem Boden zu endfertigen.

Diese könnten anschließend mit dem Qualitätssiegel "Made in Germany" wieder auf dem asiatischen Markt verkauft werden - deutlich teurer. Doch auch ein solches Modell entwickelt sich nicht über Nacht. Und bislang haben die chinesischen Investoren noch nichts über ein derartigen Umsatzgaranten verlauten lassen.

Die Frankfurter Professorin und Luftfahrtexpertin Yvonne Ziegler sieht durchaus ein Interesse der Chinesen, sich in deutsche oder gar in europäische Infrastruktur einzukaufen. Das sichere den Expansionskurs einheimischer Unternehmen ab. "Alles, was die Chinesen tun, dient China selbst", meinte Ziegler im Gespräch mit unserer Zeitung. Daher gibt es auch staatliche Zuschüsse für entsprechende Geschäfte. Auch das könnte eine zusätzliche Motivation für die Shanghai Yiqian Trading Company (SYT) sein, den Hahn tatsächlich zu erwerben.

Lange Zeit gründeten Chinesen Firmen (auch in Rheinland-Pfalz), um damit eine befristete oder gar unbefristete Aufenthaltsgenehmigung zu erwerben. Und seit im Reich der Mitte schärfer gegen Korruption vorgegangen wird, bringen zudem mehr und mehr Unternehmer Vermögen ins Ausland.

(Rhein-Zeitung vom 15.06.2016)