Die zwangsweise Einführung von Anflugverfahren, wie sie im nachfolgenden Text beschrieben werden, am Flughafen Hahn würde den Luftrowdys unter den Ryanairpiloten, die vorzugsweise mit hoher Geschwindigkeit und dem damit verbundenen Lärm, den Flugplatz Hahn anfliegen, in ihre Schranken verweisen und die Anwohner nachhaltig von Fluglärm entlasten.
Allerdings bei der Forderung nach Einführung dieser Landeverfahren auf die Unterstützung durch die Kommission zum Schutz des Fluglärms am Flugplatz Hahn zu hoffen, wäre überaus blauäugig.
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Landeanflug
Gleiten statt Rumpeln

Es liegt nicht allein an der Kunst des Piloten, dass manche Flugzeuge sanfter und leiser landen als andere. Eine neue Technik macht es möglich - allerdings nicht überall.
Von Henning Hochrinner

Wer nachts auf der Autobahn A3 am Frankfurter Flughafen in Richtung Süden vorbeifährt, erblickt bei klarer Sicht ein imposantes Bild am Himmel. Wie Lampions, die an einer Schnur aufgefädelt sind, gleitet ein Flugzeug hinter dem anderen auf Frankfurt zu. Mit jedem Kilometer, den man sich vom Flughafen entfernt, erscheinen neue Landescheinwerfer auf dieser Schnur. Es ist ein Blick in die Zukunft des Luftverkehrs.

Die Maschinen halten sich dort nicht mehr an die üblichen Regeln für den Anflug auf einen großen Airport. Nachts landen sie im sogenannten CDA-Verfahren (Continuous Descent Approach). Dieser kontinuierliche Sinkflug ist leiser als herkömmliche Landungen, spart Treibstoff und schont Triebwerke wie Umwelt, weil weniger CO2 und Schadstoffe ausgestoßen werden.

Der Unterschied zu einem normalen Landeanflug ist für jeden Passagier erkennbar, der die Flügelstellungen und Triebwerksgeräusche vor einer üblichen Landung kennt. Dort ändert sich die Stellung der Landeklappen, die Triebwerke heulen auf, der Pilot steigert das Tempo, um im nächsten Augenblick den Schub zurückzunehmen, während die Maschine an Höhe verliert.

Diese Wechsel zwischen Beschleunigung und Absinken sind charakteristisch für eine gewöhnliche Landung, bei der die Flugzeuge schrittweise von der Reiseflughöhe bis zum Flughafen sinken. Die ständige Änderung der Klappenstellung und des Schubs steigern jedoch Lärmbelastung und Treibstoffverbrauch.

Bei einer CDA-Landung hingegen wird ein Passagier all das nicht wahrnehmen. Im Idealfall beginnt der Anflug von der Reiseflughöhe auf circa 35.000 Fuß (11 Kilometer). Die Triebwerke werden auf Leerlauf geschaltet, und das Flugzeug sinkt kontinuierlich, ähnlich einem Segelflieger, bis zur Landebahn. Dadurch reduziert sich vor allem der Lärm für Anwohner, die im Umkreis von 15 bis 45 Kilometern vom Flughafen entfernt wohnen. Beim CDA haben die Maschinen in dieser Entfernung nämlich eine größere Höhe als beim normalen Anflug, ihre Triebwerke heulen auch nicht auf.

Die Fluglinien interessiert vor allem der geringere Verbrauch an Kerosin. "Für ein kommerzielles Flugzeug sehen wir Einsparungen zwischen 150 und 500Kilogramm Treibstoff pro Landung", sagt John-Paul Clarke, Direktor des Air Transportation Laboratory am Georgia Institute of Technology in Atlanta. Schätzungen zufolge könnte eine große Fluggesellschaft auf diesem Weg etwa 80Millionen Dollar pro Jahr einsparen. Die Lärmbelastung der Anwohner dürfte zugleich um sechs Dezibel sinken. Eine Verringerung der Lautstärke um zehn Dezibel empfinden Menschen als Halbierung der Lautstärke.

Clarke forscht unter anderem daran, wie das CDA-Verfahren auf amerikanischen Großflughäfen eingeführt werden kann. Zuletzt testete er den kontinuierlichen Sinkflug auf dem Flughafen Atlanta, der weltweit das größte Passagieraufkommen hat. Solche Tests sind notwendig, weil CDA ganz andere Anforderungen an die Boden-Kontrolle stellt als herkömmliche Landungen.

In Deutschland sorgen Fluglotsen der Deutschen Flugsicherung (DFS) für die Überwachung des Luftraums. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, den Piloten im Landeanflug ihren Platz im Luftraum zuzuweisen. Der Luftraum wird dafür in vertikale und horizontale Korridore eingeteilt, um sicherzustellen, dass sich die Flugzeuge nicht zu nahe kommen. Gewöhnlich können alle Maschinen in unterschiedlichen Höhen und auf einer weit gefächerten Fläche gelotst werden. Bei CDA hingegen wird der Verkehr sowohl vertikal als auch horizontal auf einen Sinkflug-Pfad konzentriert.

Bislang macht diese Bündelung gravierende Probleme, so dass CDA höchstens in verkehrsarmen Zeiten angewendet wird. Axel Raab, Pressesprecher der Deutschen Flugsicherung vergleicht den Anflug mit einem Auto, das im Leerlauf auf die Garage zurollt. Sobald andere Fahrzeuge in der Nähe sind, müsse man auf diese reagieren und könne nicht einfach weiterrollen. "Nachts bei geringem Flugaufkommen kann CDA angewendet werden, tagsüber ist das vor allem an stark frequentierten Flughäfen wie Frankfurt oder München nicht möglich", sagt Raab. Er könne sich beim jetzigen Stand der Technik nicht vorstellen, dass der kontinuierliche Sinkflug an Großflughäfen künftig auch tagsüber zum Standard wird.

Darum bemühen sich Forscher, den Stand der Technik zu verbessern und Flugrouten genauer zu planen. Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) am Institut für Flugführung in Braunschweig entwickeln dazu sogenannte 4-D-Flugmanagement-Systeme, die Flugzeuge in Raum und Zeit verfolgen.

"Wie ein Flugzeug den Flughafen anfliegt, kann mit einem 4-D-System genau vorhergesagt werden," sagt Alexander Kuenz vom DLR. Schon 20 Minuten vor der Landung, wenn noch circa 120 Kilometer Flugstrecke vor dem Piloten liegen, berechnet das Programm auf fünf Sekunden genau, wann das Flugzeug aufsetzt. "Flugzeuge, die mit einem 4-D-System ausgerüstet sind, können auch bei hohem Verkehrsaufkommen mit einem CDA landen", sagt Kuenz. "Das soll dieses Jahr auch noch mit einer Studie nachgewiesen werden." Momentan besitzen nur wenige Flugzeuge solche Systeme; in 20 Jahren soll aber die Mehrheit der Maschinen damit ausgestattet sein.

Auch Vertreter der europäischen Flugsicherheitsorganisation Eurocontrol sind zuversichtlich, das umweltfreundliche Anflugverfahren künftig bei starkem Verkehr benutzen zu können. Momentan versuchen sie, CDA zunächst auf kleineren Flughäfen von der Größe von Köln, Wien und Manchester einzuführen. "Wir haben das Ziel, dass im Jahr 2013 auf 100 kleineren europäischen Flughäfen CDA Standard ist", sagt Andrew Watt, Experte für Umweltfragen bei Eurocontrol. Größere Airports folgen später.

Kürzere Flugrouten geplant



Der gesamteuropäische Luftraum, den EU und Eurocontrol schon lange planen, könnte dieses Ziel beschleunigen. Im sogenannten "Single European Sky" (SES) ist der Luftraum nicht wie bisher in Hunderte von Kontrollsektoren unterteilt. Stattdessen werden große Blöcke geschaffen; über Zentraleuropa würden so die Benelux-Länder, Deutschland, Frankreich, Österreich und die Schweiz zusammengefasst. Darin ließe sich der Luftverkehr auch bei steigenden Passagierzahlen besser koordinieren. Landungen mit CDA-Anflug sollen dann selbst bei hohem Verkehr möglich sein.

Zugleich sollen die Flugrouten entscheidend kürzer werden. Flugzeuge legen ihre Strecken nämlich keineswegs auf der Luftlinie zurück. Sie werden um militärische Sperrgebiete herumgeleitet und Korridoren zugewiesen. Außerdem müssen die Flieger oft ihre Höhe ändern, wenn sie von einem Sektor in den nächsten kommen.

Eine Maschine aus Frankreich kann also beim Eintritt in den deutschen Luftraum nicht den kürzesten Weg nehmen, sondern muss die Route an örtliche Besonderheiten anpassen. "Derzeit fliegt Lufthansa einen durchschnittlichen Umweg von rund 50 Kilometern pro Flug. Das kostet uns 500.000 Liter Treibstoff täglich", sagt Firmen-Sprecher Peter Schneckenleitner. Im SES könnte der CO2-Ausstoß im Luftverkehr um zehn bis zwölf Prozent sinken. Schneckenleitner bezeichnet den SES daher plakativ als das größte Klimaschutzprojekt Europas.

Bis die Idealvorstellung vom einheitlichen Luftraum umgesetzt werden kann, sind allerdings noch erhebliche Hürden zu beseitigen. In Deutschland müsste dafür sogar das Grundgesetz geändert werden, das die Flugsicherung einer bundeseigenen Verwaltung zuweist.

Aktuelle Entwicklungen lassen aber erkennen, dass sich etwas bewegt, um den Flugverkehr ruhiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Ab Mitte Februar ist CDA das Standardverfahren beim Nachtanflug in Köln/Bonn, und auch in München sind Tests geplant. Dann hängen die fetten Lampions aufgefädelt neben der Autobahn A92.

(Stuttgarter Zeitung vom 05.02.2009)