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Hahn: In Zukunft vorsichtigere Prognosen
Geschäftsführer Jörg Schumacher zieht im Redaktionsgespräch Bilanz für 2005 und blickt auf 2006 voraus: Potenzielle Frachtkunden warten auf die Freigabe der Startbahn

Das Jahr 2005 war wieder ein erfolgreiches für den Flughafen Frankfurt-Hahn. Die selbst gesteckten Ziele wurden zwar nicht ganz erreicht, doch die Bilanz kann sich sehen lassen - besonders vor dem Hintergrund der umfangreichen Erweiterungspläne, die Ryanair durch die Stationierung von weiteren zwölf Maschinen angekündigt hat. Wir sprachen mit Jörg Schumacher, Geschäftsführer der FlughafenFrankfurt-Hahn-GmbH.

Herr, Schumacher, im letzten Jahr sind dem Hahn die Flügel etwas gestutzt worden: Die Flughafen-GmbH hatte für das Jahr 2oo5 zuerst 3,8 Millionen Passagiere prognostiziert. Ein halbes Jahr später wurde die Zahl auf 3,5 Millionen heruntergeschraubt, tatsächlich waren es aber nur 3,1 Millionen Passagiere. Ein herber Dämpfer?
Wir sind sehr ehrgeizig in die letzten drei Jahre hineingegangen, da war sehr viel Druck auf der Flasche. Das werden wir in Zukunft so nicht wiederholen. Wir gehen jetzt auf Prognosezahlen, die wir auch tatsächlich einhalten. Etwas anderes kann man auch den Gesellschaftern nicht zumuten.

Überraschte Sie dieser Dämpfer oder war er vorhersehbar?
Die Entwicklung war abzusehen. Anfang 2005 waren wir der festen Überzeugung, dass weitere Ryanair-Machinen zum Hahn kommen würden. Im April haben wir mit Ryanair Verhandlungen aufgenommen. Ryanair hat natürlich das Ergebnis dieser Verhandlungen abgewartet und in dieser Zeit keine neuen Maschinen stationiert. Wenn man pro Maschine 400 000 Passagiere rechnet, kann man sich die Diskrepanz der Prognosen leicht erklären. An der Auslastung liegt es jedenfalls nicht, die ist mit 82 Prozent sehr hoch.

Trotz aller Vorsicht, die sie künftig bei den Prognosen walten lassen wollen: Was wird sich in diesem Jahr auf dem Hahn tun?
Wir sollten jetzt mittel- und langfristig denken. Wir werden nicht weiter solche Zuwachsraten schreiben wie in den Anfangsjahren. Aber die Zahl von zehn Millionen Passagieren bis 2012 werden wir einhalten. Und zehn bis 20 Prozent Wachstum bei der Fracht traue ich uns in diesem Jahr auch zu.

Wie weit mussten Sie bei den Verhandlungen mit Ryanair über die Stationierung weiterer Flugzeuge eigentlich in die Knie gehen?
Bei Verhandlungen gibt es ja eine gewisse Methodik: Die Menge macht den Preis. Das ist beim Bäcker um die Ecke nicht anders als bei uns. Aber wir mussten nicht bluten. Der Fraport in Frankfurt war es wichtig, dass sich Ryanair bei uns über die Werft und das Darlehen bindet. Diese Dinge haben erst gegen Ende der Verhandlungen funktioniert.

Die Bedeutung, die Sie der Bindung von Ryanair an den Hahn beimessen, ist indirekt eine Bestätigung der Kritik, der Hahn sei zu sehr von Ryanair abhängig.
Wir haben nie gesagt, dass keinerlei Gefahr besteht. In Frankfurt ist es beispielsweise auch so, dass Lufthansa ständig mit München pokert. Eine Abhängigkeit hat es gegeben, deshalb legen wir ja auch viel Wert auf die Fracht.

Wie sieht es mit neuen Passagierflug-Gesellschaften auf dem Hahn aus?
Ich gehe davon aus, dass ab April noch eine kleinere Linie aus dem Osten bei uns startet.

Flugziele in Osteuropa haben sich aber als schwierig erwiesen. Da gab es auch auf dem Hahn in den letzten Jahren ein munteres Kommen und Gehen von Fluggesellschaften und Flugzielen. Bricht hier bereits ein Markt weg bevor er überhaupt richtig erschlossen ist?
Ryanair-Chef Michael 0' Leary hat einmal gesagt: Wenn man einen Flug nach London anbietet, hat man ein breites und zahlungskräftiges Publikum. Das gibt es in Osteuropa noch nicht.

In diesem Zusammenhang: Wie hält sich Wizz Air auf dem Hahn, die ja osteuropäische Ziele anfliegt?
Das läuft gut.

Kommen wir zum Thema Fracht, die Sie als zweites Standbein auf dem Hahn weiter ausbauen wollen. Da hängt im Moment alles an der Freigabe der verlängerten Start- und Landebahn und der Klage des BUND. Wann rechnen Sie mit einer Entscheidung des Gerichtes?
Zunächst noch so viel: Die Startbahn an sich ist fertig. Sie könnte aber noch nicht in voller Länge genutzt werden, weil dazu noch einige Bäume gefällt werden müssen. Beim Oberverwaltungsgericht Koblenz ist jetzt ein neuer Senat für das Verfahren zuständig. Ich denke, es braucht eine gewisse Zeit, bis sich die Richter in das Verfahren eingelesen haben. Ich hoffe, dass die Verhandlung im Frühjahr angesetzt werden kann. Wir sind aber weiter bestrebt, mit dem BUND eine Lösung zu finden. Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass man mit der Mopsfledermaus ein solches Projekt lahm legt.

Falls keine Einigung zustande kommen sollte, wie sehen Sie Ihre Chancen in einem Verfahren?
Ich glaube, da haben wir keine schlechten Karten. Ich sehe keinen Punkt, in dem wir Gefahr laufen, dass für uns alles schief gehen könnte. Man wird aber sicher noch einige Kompromisse eingehen müssen.

Gibt es weitere Frachtfluggesellschaften, die auf dem Hahn tätig werden wollen?
Wir haben eine ganze Reihe von potenziellen Kunden, die auf eine Entscheidung über die Freigabe der Start- und Landebahn warten. Einige sitzen regelrecht auf heißen Kohlen. Daher haben wir für die Start- und Landebahn einen Antrag auf Abänderung gestellt, um vorzeitig 3500 der 3800 Meter langen Piste nutzen zu können. Dafür würde nicht in die Natur eingegriffen.

Angenommen, das Gericht entscheidet schnell und zu Gunsten des Hahn: Wie wird sich der Frachtsektor in diesem Jahr entwickeln?
Ich könnte mir vorstellen, dass wir eine größere Frachtfluggesellschaft an den Hahn bringen können. Und zwar eine, die hier Maschinen stationiert. Im Moment outet sich aber noch keine Gesellschaft, die warten alle das Verfahren ab. Ich möchte Gespräche erst dann seriös führen, wenn die Start- und Landebahn in Betrieb geht.

Welche Gesellschaften kommen in Frage?
Da gibt es fünf bis sieben. Wir haben mit allen gesprochen. Mit Air France sind wir schon durch deren Präsenz auf dem Hahn in engem Kontakt.

Mit Frachtflug verbindet die Bevölkerung vor allem Fluglärm.
Frachtflug wird Lärm bringen, aber er ist für uns sehr wichtig. Wir werden wirtschaftlich darauf angewiesen sein. Er findet aber nicht ausschließlich nachts statt. Man kann diesen Lärm nicht wegdiskutieren, aber man kann auch davon ausgehen, dass die Behörden Auflagen machen werden.

Ist die Reaktivierung der Hunsrückbahn für den Frachtsektor eine unabdingbare Voraussetzung?
Für die Fracht hat die Bahn eine eher geringe Bedeutung. Im Vergleich zum Lkw hat die Bahn keine Chance. Wir haben das in Frankfurt mit dem Cargo-Sprinter auf Schienen gesehen, der hatte irrsinnig lange Fahrzeiten. Interessant könnte die Bahn aber für den Fuel-Transport, den Treibstoff, werden. Mit 1,5 Millionen Litern pro Jahr gehören wir in diesem Bereich zu den großen Flughafen-Gesellschaften. In diesem Zusammenhang wird auch darüber nachgedacht, die ehemalige NATO-Pipeline zum Hahn wieder in Betrieb zu nehmen.

Aber auch auf dem Passagiersektor scheint die Bahn nicht sonderlich wichtig zu sein, wenn man Ryanair-Chef Michael 0- Leary glaubt.
Ich denke, er wollte mit dieser Aussage den Eindruck vermeiden, dass er sich vom Bahnanschluss abhängig macht. Die Bahn ist sehr wichtig, weil man in Spitzen rechnen muss. In den Stoßzeiten müssten bei der erwarteten Passagierzahl rund 100 Busse anfahren, um die Passagiere zum Terminal zu bringen. Das ist nicht umsetzbar.

Wer nicht mit Bus oderBahn kommt, fährt mit dem Pkw über die B5o zum Flughafen. Geht Ihnen der Ausbau zur vierspurigen Straße schnell genug voran?
Im Frühjahr wird man von der Simmerner und der Hahner Seite schon richtig etwas sehen können. Entscheidend ist, dass jetzt damit begonnen wurde und es zügig weitergeht. Dann ist es egal, ob die Straße einen Monat früher oder später fertig wird.

Bei der Planung der Infrastruktur am und rund um den Hahn wird der Ruf nach einem neuen Zuschnitt der räumlichen Gliederung und vor allem der Planungsräume und -gremien lauter. Teilen Sie die Auffassung?
Das Schlimmste wäre jetzt, wenn jeder seine eigene Planung vornimmt und nichts vernetzt ist. Bei der Ansiedlung von Geschäften beispielsweise gibt es einige, die nicht direkt auf dem Hahn präsent sein müssen. Das sollten die Gemeinden machen.

Die Fragen stellten Werner Dupuis, Peter Kuntz und Thomas Torkler

(Hunsrücker Zeitung vom 26.01.2006)