"Tag für die Ruhe" - Nacht für den Lärm?

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Nacht für Nacht stören Flüge in der Region den Schlaf vieler Menschen - und machen sie krank
Von Halvard Langhoff

"Wir kümmern uns jeden Tag um Lärm, dafür brauchen wir keinen speziellen Tag", sagt Walter Römer auf die Frage, wie denn der Köln-Bonner Flughafen den heutigen weltweiten Lärmschutztag "Noise Awareness Day" zu begehen gedenke. Und der Pressesprecher des Airports zieht auch gleich eine Trumpfkarte: "Unser freiwilliges Schallschutzprogramm, für das wir 120 Millionen Mark bereitgestellt haben, wird nicht einmal ausgeschöpft." Wird der Flughafen also die Nachtschutzgebiete nach Einführung des computergesteuerten Ness-Abflugverfahrens und der damit verbundenen Routenänderungen ausdehnen? Nein, daran sei nicht gedacht.

Lizenz zum Lärmen

Lärm, so stellt das Umweltbundesamt zum heutigen "Tag für die Ruhe - gegen den Lärm" fest, sei nicht nur lästig, sondern könne krank machen. Jeder sechste Bundesbürger sei einem Lärmpegel durch den Straßenverkehr ausgesetzt, der erhöhte gesundheitliche Risiken durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen erzeugen könne.

In der Region Köln-Bonn kommt noch der Lärm aus der Luft hinzu. Während Fluglärm tagsüber als "normale" Umweltbelastung von den Flughafenanliegern weitgehend akzeptiert wird, treibt der nächtliche Lärm am Himmel, wie er seit 1993 verstärkt rund um den Flughafen auftritt, die Menschen auf die Barrikaden.

Rund 400.000 Bürger werden wochentags Nacht für Nacht mehrfach aus dem Schlaf gerissen, weil Unternehmen wie United Parcel Service, DHL, TNT oder Lufthansa Cargo die Nachtoffenheit von Köln/Bonn nutzen, um ihr expandierendes Fracht- und Päckchentransportgeschäft "à la minute" zu betreiben.

Die Lizenz zum Lärmen wurde Ende vergangenen Jahres bis zum Jahr 2015 von der Landesregierung verlängert. Zu Spitzenzeiten gibt es über der Wahner Heide zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens mehr als 150 Flugbewegungen. Zwar hatte jüngst erst Landesverkehrsminister Peer Steinbrück verkündet, in Köln/Bonn sei es leiser geworden - statt durchschnittlich 112 nur noch 98 Nachtflüge. Doch der Sprecher der Bundesvereinigung gegen Fluglärm, Helmut Breidenbach, bewertete diese Zahlen als manipuliert, da der Flughafen von einem Höchststand ausgehe, als noch die Frachtgesellschaft TNT vor dem Wegzug nach Lüttich und bereits der Nachfolger DHL mit ihren extrem lauten Jets die Statistik beeinträchtigten.

Und Köln/Bonn ist mit mehr als 40.000 nächtlichen Flugbewegungen pro Jahr europaweit der Airport mit dem meisten Nachtflugverkehr. Seit Inkrafttreten des Sommerflugplans vor wenigen Tagen wird deutlich, daß weitere Nachtflüge für Urlaubs-Passagiere ins Programm genommen werden.

Dies war nur möglich, weil der frühere Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) einen Beschluß der NRW-Landesregierung - unter anderem Passagierverkehr zwischen Mitternacht und 5 Uhr zu verbieten - aushebelte. Es dauerte zweieinhalb Jahre und bedurfte eines Rechtsgutachtens, bis NRW-Verkehrsminister Peer Steinbrück in diesen Tagen einen erneuten Vorstoß in Bonn machte, diesmal bei SPD-Verkehrsminister Franz Müntefering. Vom Erfolg des Vorstoßes ist man überzeugt, hatte doch Müntefering einst die Landespolitik mitgetragen, als er noch in Düsseldorf war.

Obwohl man am Köln-Bonner Flughafen genau wußte, daß das Problem des nächtlichen Passagierverkehrs strittig war, warb die Geschäftsführung neue Charterfluglinien an, die einen Teil ihres Geschäfts in der Nacht abwickeln. So kann man zur Zeit um 3 Uhr nach Antalya (Türkei), um 3.15 Uhr nach Rhodos (Griechenland), um 4 Uhr nach Heraklion (Griechenland) und um 4.25 Uhr nach Palma de Mallorca oder Teneriffa fliegen.

Der Flughafen selbst spricht von 23 Starts und 46 Landungen pro Woche, was schon eine Verdreifachung der Schallereignisse im Vergleich zum Vorjahr bedeuten würde. Horst Becker, Mitglied der Fluglärm-Kommission aus Lohmar, fand im Internet bis zu 13 zusätzliche Flüge pro Nacht. "Eine Katastrophe", sagt Becker, "denn die Lebensqualität des Urlaubs wird erkauft mit der Gesundheit Abertausender Menschen"."

Keine gute Nachbarschaft

Mit der neuen Geschäftspolitik, dem Passagierverkehr nachts die Rollbahnen und den Himmel zu öffnen, zeige sich, daß der Flughafen keinerlei Wert darauf lege, mit der Region in guter Nachbarschaft zu leben, befindet Becker. "Lärm macht krank", stellt der Deutsche Arbeitsring für Lärmbekämpfung zum heutigen Lärmtag fest und beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch Lärm entsteht, mit 35 Milliarden Mark jährlich.

Und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm stellt fest: "Es gibt keine wirtschaftliche Begründung für den Luftverkehr, die einen Eingriff in die Gesundheit im Sinne des Artikels 2 des Grundgesetzes rechtfertigen kann." Flughäfen müßten in den Geltungsbereich des Bundesemissionsschutz-Gesetzes einbezogen werden. Anzustreben seien nächtliche Kernruhezeiten und die gesundheitlich unbedenkliche Lärmobergrenze von 52 dBA in belüfteten Schlafräumen.

(Kölner Stadtanzeiger vom 21.04.1999)

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