Vor Begeisterung fast überschlagen?
Ob der Herr Zeitungsredakteur das wirklich so glaubt?

Zurück zur Übersicht

drucken

FRÜHERE US-AIRBASE
Freude im Hunsrück: "Der Hahn fliegt"

Von Frank Thönicke
Dem früheren Militärflughafen Hahn in Rheinland-Pfalz drohte nach dem Abzug der Amerikaner das Aus. Dann stieg die FAG ein und seitdem geht es steil bergauf.

HAHN: Der Unterschied vom Flughafen Hahn zum Flughafen Kassel-Calden ist zunächst der, daß Hahn gar nicht bei Hahn liegt. Calden hingegen findet jeder bei Calden. Hahn liegt bei Lautzenhausen im Hunsrück. Doch das konnte keiner der 20.000 Amerikaner, die dort jahrelang auf der Airbase arbeiteten, aussprechen. Also sagte man Hahn, was einige Kilometer weiter liegt. Immerhin: Die Gemeinde Hahn besitzt sechs Quadratmeter vom Flughafengelände. Nebenbei gesagt, waren die Amerikaner überall in Rheinland-Pfalz. In Kaiserslautern etwa, was sie auch nicht sagen konnten. Sie nannten es "K-Town". Das alles weißt darauf hin, das aus dem südwestlichen Bundesland ein Stück Amerika wurde. In Hahn zum Beispiel wurden die Amerikaner stromtechnisch mit 110 Volt versorgt. Eine den deutschen Vorschriften entsprechende Entwässerung des riesigen Luftwaffenstützpunktes kannte man nicht, und auch Befeuerung und Zustand der 3040 langen Startbahn entsprachen nicht deutschen Regeln.

"Phantastico"

Das machte nichts, wie auch der Lärm, den die F-16 Kampfbomber der Amerikaner heftig hinterließen. Die Soldaten ließen dafür machen harten Dollar in der Region. Die Leute lebten "phantastico" von der Airbase, sagt die Marketing-Managerin des Flughafens Hahn, Maria Benesch. Umso schmerzlicher waren die Folgen des Abzugs der Amerikaner. 20.000 Menschen waren 1993 fast auf einen Schlag weg. Das hinterließ auch wirtschaftlich eine bis daher nicht gekannte Lücke.

Das Land Rheinland-Pfalz mußte handeln. Man entschloß sich, den Flughafen auf Vordermann zu bringen. Nach dem Motto "der Hahn muß fliegen" griff man kräftig in die Tasche. Rund 80 Millionen Mark wurden investiert. Die Landebahn saniert, die Stromversorgung und alle anderen technischen Einrichtungen auf deutsches Niveau gebracht, eine neue Befeuerung gebaut.

"Macht was draus"

Man machte also potentiellen Flughafenbetreibern, Reiseunternehmen und Fluggesellschaften sozusagen ein Angebot. Hier habt ihr einen technisch gut ausgestatteten Flughafen, macht was draus.
Ab Januar 1988 konnte Hahn so richtig abheben. Die Frankfurter Flughafen AG (FAG) übernahm die Mehrheit (64,9 Prozent) am Flughafen. Das Land Rheinland-Pfalz hält 25,1 Prozent, eine private Holding zehn Prozent. Maria Benesch: "Das war der Umschwung". Das FAG-Engagment brachte es mit sich, daß die Fluggesellschaften Vertrauen faßten. Sie wußten, daß der FAG kaum die Puste ausgehen kann. Denn einen Flughafen wirtschaftlich zu betreiben, ist ein langfristiges Geschäft. Eine neue Start- und Landebahn müsse zum Beispiel über 30 Jahre finanziert werden, es dauere nach entsprechenden Investitionen mindestens zehn Jahre, ehe ein positives Ergebnis erwirtschaftet werden kann, sagt man in Hahn. Ein langer Atem ist also nötig. Dem glauben alle, hat die FAG, auf deren Engagement man auch in Kassel-Calden hoffen dürfte.

Mehr Passagiere

In Hahn hatte es zur Folge, daß zum Beispiel die Fluggastzahlen sprunghaft in die Höhe schnellten. Steigerung im ersten Halbjahr 1999 gegenüber dem Vergleichszeitraum im Vorjahr: 250 Prozent. In absoluten Zahlen flogen ab Hahn im ersten Halbjahr 1999 rund 39.000 Menschen. Man ist optimistisch, das es noch viel mehr werden. Alle Gutachten und Prognosen in der Luftfahrtbranche weiß man, sehen eine rosige Zukunft mit satten Zuwachsraten voraus.

Um der erhofften Passagierflug (im Einzugsgebiet zwischen Rhein-Main und Luxemburg, Koblenz und Mannheim wohnen 5,5 Millionen Menschen) Herr zu werden, wird in Hahn weiter kräftig investiert. Für rund zehn Millionen Mark baut man eine neue Abflughalle mit einer Kapazität von jährlich 400 000 Passagieren. Neun Check-In-Schalter, drei Gates, 358 Plätze für Kurzparker, 1300 Plätze für Langzeitparker (allesamt kostenlos) werden entstehen. In der Halle wird es zwei Bistros, Ladengeschäfte, Autovermietung und Reisebüros geben.

Die TUI fliegt schon heute zweimal in der Woche nach Mallorca, einmal nach Teneriffa und Gomera. Eine dicken Fisch zogen sich die Hahner an Land, als sie die irische Fluglinie "Ryanair" in den Hunsrück holten. Die fliegt täglich für sage und schreibe 99 Mark nach London.

Ein Vorteil Hahn ist, daß der Flughafen nicht zu dicht an Frankfurt liegt (Entfernung zum Rhein-Main Airport 106 Kilometer), um dort den Flugverkehr zu stören, aber doch nahe genug, um zuweilen als Ausweichflugplatz zu stören. Das kommt vor allen dem Frachtverkehr zugute, dem wohl wichtigsten Standbein Hahns. Ist in Frankfurt alles dicht, kann die FAG die Fracht auf ihren Flugplatz nach Hahn umdirigieren. Das hat statistisch gesehen zur Folge, daß Hahn bei diesem sogenannten "Luftfrachtersatzverkehr" unter den 31 deutschen Flughäfen inzwischen auf Rang vier liegt. Für diese gute Plazierung ist maßgeblich auch die Air France verantwortlich - sie betreibt in Hahn ihr deutschen Fracht-Umschlagszentrum.

Und die Bürger in den Hunsrück-Dörfern um den Flugplatz. Protestieren sie gegen die startenden und landenden Maschinen, fürchten sie um ihre nach dem Abzug der Amerikaner neu gewonnene Ruhe, die nun wohl wieder im Fluglärm untergeht?

In Hahn gibt es wohl die größte deutsche Bürgerinitiative für einen Flughafen. Die "Bürger für Hahn" sollen über 250 Mitglieder haben. "Der Hahn muß fliegen" ist auch ihr Motto.

Rund 1000 Arbeitsplätze sind am Flughafen mittlerweile entstanden, es haben sich diverse Betriebe (von der Computerfirma über den Hersteller von schweren Kränen bis zum Plastikunternehmen) angesiedelt.

Und die Flughafengegner? Maria Benesch meint, das die Menschen im Hunsrück ihre Lehren aus dem Abzug der Amerikaner gezogen hätten: "Da hatten sie ihre Ruhe, aber die Kasse war leer". Ohne Moos nicht los - das will man nicht rings um Hahn. Eine Bürgerinitiative, die zuweilen gegen Nachtflüge demonstriert, soll acht Mitglieder haben, sagt man im Flughafen.

(Hessische Allgemeine Zeitung v. 08.09.1999)

Zurück zur Übersicht