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Noch dominiert Ryanair den Flughafen Hahn

Begrenzter Service und Minimalstandard als Attraktion

von unserem Korrespondenten Rolf Obertreis

HAHN. Die letzten Meter sind holprig.

Die Straße ist schlecht, rechts und links im säumen hässliche Kasernen und Parkplätze den Weg. Erst am neuen Terminal weht ein Hauch von weiter Welt. Von Frankfurt freilich ist nichts zu spüren. Keine Hochhäuser am Horizont, kein Stau bei der Anfahrt, keine Hektik. Auch wenn der Flughafen offiziell Frankfurt-Hahn heißt. Aber bis zur großen Schwester Rhein-Main sind es exakt 114 Kilometer oder 75 Minuten mit dem Auto. Trotzdem ist der kleine Flughafen im Hunsrück in der Luftfahrt-Branche in aller Munde.

Er ist das erste Einfallstor für Billig-Flieger nach Deutschland. Bisher vor allem für die irische Ryanair. Sie nutzt Hahn seit kurzem auch als Basis für 15 Flüge täglich. Und als Mittel, die Lufthansa zu ärgern. Andreas Helfer will den Streit zwischen den beiden Airlines nicht bewerten. Ungelegen kommt ihm die damit verbundene Werbung allerdings nicht. Helfer ist Geschäftsführer der Flughafen Frankfurt Hahn GmbH. "Wir sind hier kein Ryanair-Flughafen", sagt er.

Aber eben genau der Airport, den ein Billigflieger in Deutschland braucht. Hahn ist für viele Menschen gut zu erreichen. Die Autokennzeichen auf den meist kostenlosen Parkplätzen sind Beleg: Die Fluggäste kommen nicht nur aus Köln oder Frankfurt, sondern auch aus Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, aus Holland, Frankreich und sogar aus der Schweiz. Vor allem aber ist Hahn billig.

Während eine Airline für eine Boing 737 mit 150 Passagieren hier pro Start und Landung rund 650 Euro zahlen muss, sind es auf Rhein-Main fast 2500 Euro. Voraussetzung für solche Tiefstpreise ist ein begrenzter Service und ein deutlich abgespeckter Standard. Es gibt keine Andockfinger für die Jets und keine Gepäckförderanlage. Das Terminal ist nüchtern und schnörkellos genau wie die sechs Check-In-Schalter von Ryanair. Ein Restaurant gibt es (noch) nicht. Und gerade mal ein Zeitungsladen. Dabei wird es aber nicht bleiben. Derzeit wird das Terminal auf die doppelte Größe erweitert, im April sollen die Bauarbeiter abziehen. "Insgesamt zehn Millionen Euro wird es kosten. Fünf Euro pro Passagier", sagt Helfer. Mehr sei nicht drin. Für die Fluggäste kein Hindernis.

Wurden in Hahn 1998 noch 30.000 Passagiere abgefertigt, waren es 2001 schon 450.000. In diesem Jahr sollen es 1,2 Millionen sein. Längst steuern nicht nur Familienväter und Studenten Hahn an, sondern immer mehr Geschäftsreisende.

Zweiter Vorteil von Hahn: Die Maschinen werden nach der Landung schnell "umgedreht". Innerhalb von 25 Minuten sind sie wieder startbereit. Passagiere sind ausgestiegen, das Gepäck ist entladen, die Maschine gesäubert, betankt, die neuen Passagiere haben Platz genommen und deren Koffer sind verstaut. Das liege auch, so Helfer, an den hoch motivierten 230 Mitarbeitern in Hahn. "Jeder weiß, dass dies eine einmalige Chance ist für die Region". Insgesamt sind in Hahn rund 1700 Menschen beschäftigt.

Dritter Vorteil von Hahn: Es gibt im Gegensatz zu Rhein-Main oder Luxemburg kein Nachtflug-Verbot. Das ist vor allem für den Frachtverkehr wichtig. Trotz seiner Vorzüge versteht sich Hahn nicht als Konkurrent für Frankfurt. "Wir sind ein Nischenanbieter und insofern Ergänzung zu Rhein-Main", sagt Helfer.

Als die Amerikaner 1993 die ehemalige Airbase verlassen hatten, trauten selbst Experten dem Flugplatz im Hunsrück eine solch rasante Entwicklung nicht zu. Trotzdem stieg die Frankfurter Flughafen AG (Fraport) 1997 mit 73 Prozent ein. Den Rest hält Rheinland- Pfalz. Aber zunächst ging es um das Luftfrachtgeschäft. Dass zum Ende der neunziger Jahre dann auch die Billig-Airlines zum Sprung nach Deutschland ansetzten war ein Glücksfall und macht Hahn, sagt Helfer; "zum erfolgreichsten Konversionsprojekt". Heute verteilen sich die täglich 30 Starts und Landungen zur Hälfte auf Passagier- und Frachtverkehr. Zu den besten Cargo-Kunden in Hahn gehören Aeroflot und Air France.

Nächstes Ziel: Helfer will einen der großen PaketDienstleister wie UPS oder DHL gewinnen. Bis 2006 sollen rund 500 Millionen Euro investiert werden, auch die Landebahn wird verlängert. Zugleich wird die Bundestrasse 50 vierspurig ausgebaut. Noch aber steckt Hahn tief in den roten Zahlen, wie Helfer einräumt. "Wir brauchen zehn Millionen Passagiere im Jahr, um Gewinn zu machen." Ryanair allein wird dies nicht bringen. Auch andere Billigflieger sind Helfer willkommen. Auch ein möglicher Low- Cost-Carrier der Lufthansa.

(Giessener Anzeiger vom 26.02.2002)