Ein solcher Bericht zum Flugplatz Hahn: Undenkbar!

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Die Krachmacher von Rhein-Main
Bei Ostwind "der reinste Horror": Flugzeuge, die offiziell als leise gelten, zerstören die Nachtruhe

Von Wolfgang Schubert
Mitten in der Nacht klirren die Fensterscheiben und die Bewohner werden aus dem Schlaf gerissen. Über Oberrad, Bergen-Enkheim, Fechenheim oder Bad Vilbel, aber zunehmend auch über Offenbach-Rumpenheim oder Bürgel donnern nachts vollbeladene Frachtmaschinen hinweg. Weil die Cargo-Jets zumeist alte Maschinen sind, machen sie besonders viel Krach. Und das noch ganz legal.

Insbesondere Frachter vom Typ Boeing 727 sind inzwischen auch dem Lärmschutzbeauftragten auf Rhein-Main und der Flughafen AG ein Dorn im Auge. Dank des Einbaus eines -nach Expertenmeinung allerdings untauglichen - Schalldämpfers (Hushkit) gelten derart nachgerüstete 727-Typen offiziell als leise und damit als sogenannte Kapitel-3-Maschinen. Die Folge: Sie können sogar zwischen 22 und 6 Uhr morgens starten. Lautere Flugzeuge, die als Kapitel-2-Jets klassifiziert sind, dürfen auf Rhein-Main seit 1. April diesen Jahres zwischen 21 Uhr und sechs Uhr weder starten noch landen. Ab November wird das Start- und Landeverbot noch einmal um eine Stunde auf dann 20 Uhr vorgezogen.

"Die vergangene Woche, als Ostwind herrschte, war wieder der reinste Horror", sagt Volker Hartmann und verweist auf seine Aufzeichnungen. Beispielsweise die Nacht vom 25. zum 26. September: Um 0.17 Uhr weckt eine Boeing 747-200 der Lufthansa-Cargo die Bewohner Oberrads, eine Stunde und neun Minuten später ist die Nachtruhe schon wieder vorbei. über den Stadtteil donnert eine Boeing 727 der amerikanischen Frachtgesellschaft Federal Express. Am Lärmschutztelefon der Flughafen AG erfährt Hartmann, Mitarbeiter der Initiative "Frankfurter Bürger gegen Fluglärm", am nächsten Tag, daß für die beiden Maschinen Lärmwerte von 82 und 81 Dezibel (A) gemessen worden sind. Zum Vergleich: Für Wohngebiete hat der Gesetzgeber den nächtlichen Grenzwert auf 49 Dezibel festgelegt. Von keiner Straße und keiner Fabrik darf Lärm ausgehen, der über diesem Schwellenwert liegt. Für Flugzeuge gilt das nicht.

"Wir haben etliche Problemfälle", räumt auch das Lärm-Management der Flughafen AG ein. Die Sorgenkinder haben zwei Namen: Federal Express und Istambul Airlines. Der US-Frachtriese FedEx schickt jede Nacht zwischen 0 und 1 Uhr je eine 727 nach Moskau und Tel Aviv und hin und wieder noch einen zusätzlichen Frachter zum Pariser Flughafen Charles de Gaulle. Die türkische Istanbul Airline kommt zwar erst morgens zwischen sechs und acht Uhr in Frankfurt an, erscheint auf der Beschwerdeliste aber mit Regelmäßigkeit am Wochenende. "Wenn die Leute samstags und sonntags ausschlafen wollen und der Flieger mit Riesengetöse hier runterkommt, gibt das natürlich Ärger", räumt ein Lärmexperte der FAG unumwunden ein.

Johann Bruinier, der von der Landesregierung eingesetzte Lärmschutzbeauftragte auf' Rhein-Main, hat in der jüngsten Sitzung der Lärmschutzkommission nach Darstellung eines Kommissions-Mitgliedes "die Flucht nach vorne" angetreten. "Angesichts weltweiter Bestrebungen, älteres Kapitel-2-Gerät mittels Hushkit (Schalldämpfer, die Red.) zu Kapitel 3-Gerät,umzufrisieren', sollte diesem Thema künftig eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden", hieß es in einer der FR vorliegenden Stellungnahme. des Lärmschutzbeauftragen. Für Bru nier besteht eindeutig Handlungsbedarf: "Die B 727 Hushkit (Federal Express und Istambul Airlines) löst nachts bei relativ geringen Bewegungszahlen unverhältnismäßig häufig Beschwerden aus:' Mit fatalen Konsequenzen, wie er im Gespräch mit der FR betont: "Wer um 0.30 Uhr durch eine 727 aus dem Tiefschlaf gerissen wird, ist sauer und schläft so schnell auch nicht mehr ein. Der wird dann eine halbe Stunde später, wenn wirklich leise Flugzeuge die Post nach Frankfurt bringen, auch die natürlich als übermäßig laut empfinden."

Bruinier macht keinen Hehl daraus, daß die 727 trotz zusätzlicher Schalldämpfer "die reinsten Krachmacher sind" ' Die Entscheidung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, die Hushkit-Jets als lärmarm zu klassifizieren, sei unverständlich. Zu Behauptungen, der Hersteller Boeing habe bei dieser Entscheidung maßgeblich mitgewirkt, wollte sich Brunier nicht äußern.

Der Lärmschutzbeauftragte hat allerdings noch ein zweites Sorgenkind. Zahlenmäßig an der Spitze der nächtlichen Lärmbeschwerden stehen nicht die 727-Frachter von FedEx, sondern die Boeing 747-200 der Luftlansa Cargo AG. Zwischen 12. Juni und 12. September erreichten Bruinier 57 Beschwerden über laute Lufthansa-Frachter - fast doppelt so viele wie über die 727 Hushkits. Dennoch will der Lärmschutzbeauftragte der Fracht-Airline keine Vorwürfe machen: "Das liegt nicht so sehr am Alter der Maschinen. Die Triebwerke der 747-Frachter sind nur unwesentlich lauter als die der Jumbos modernster Bauart."

Der von den Frachtern ausgehende Lärm sei nicht zu vermeiden. Die Maschinen seien bis unter des Dach beladen, hätten für den Flug über den Atlantik die Tanks randvoll und würden dadurch erheblich langsamer an Höhe gewinnen als ein Kurzstrecken-Jet mit 100 Passagieren an Bord. "Auch tagsüber", sagt Brunier, "sind vollbesetzte 747-Boeings nicht leiser." In der Nacht allerdings werde der Lärm "natürlich ganz anders empfunden". Gleichwohl sieht Bruinier keine Möglichkeit, die Abflugzeiten der Lufthansa-Frachter zu verschieben. Die Umlaufpläne für das fliegende Material und Personal ließen keine andere Zeitplanung zu. Geänderte Flugpläne würden die "Wirtschaftlichkeit des Unternehmens vermutlich erheblich beeinträchtigen. "

Das sieht auch Flughafen Vorstand Manfred Schölch. Aber nicht einmal für das 727-Problem hat der FAG-Vize eine Lösung anzubieten: Wir können internationales Recht nicht ändern. Wenn wir es versuchen sollten, heben wir uns dabei nur einen Bruch." Die FAG, betonte Schölch, könne im Alleingang "keine neuen Kapitel einführen". Die Initiative in Sachen 727 Hushkit-Frachter müsse von der Lärmschutzkommission ausgehen.

Darauf will Johann Bruinier nicht warten. Der Lärmschutzbeauftragte mochte die FAG und den Hessischen Minister für Verkehr als Luftaufsicht in die Pflicht nehmen: .,Wir brauchen eine völlige Neustrukturierung der Landegebühren." Statt nach den Lärmklassifizierungen der ICAO müßten zukünftig die tatsächlichen Lärmwerte in der Gebührenordnung berücksichtigt werden. Die Voraussetzungen dafür seien in Frankfurt vorhanden: "Wir können an über 20 Meßstationen konkret den Lärm ermitteln, den jedes Flugzeug verursacht. Danach müßten dann die Entgelte für Start und Landung festgelegt werden."

(Frankfurter Rundschau vom September 1997)

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