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KRITIK AN ARBEITSBEDINGUNGEN

Gewerkschafter starten Web-Kampagne gegen Ryanair

Von Matthias Streitz

Es gibt keine Tarifverträge, keine Betriebsräte: Kritiker werfen Ryanair-Chef Michael O'Leary vor, eine Vendetta gegen Gewerkschaften zu führen. Nun hat ein internationaler Verband ein Protestforum im Web geschaffen - hier sollen Angestellte Ärger über Arbeitsbedingungen loswerden, notfalls anonym.


Website Ryan-be-fair.com: Hilfsmittel für die gewerkschaftliche Organisation


London - Die Internet-Seite mit dem Titel "Ryan be fair" ist ab heute für Außenstehende frei geschaltet. Sie ist größtenteils auf Englisch verfasst, bietet aber auch einen kleinen deutschsprachigen Bereich. Hinter der Kampagne steht die International Transport Workers' Federation (ITF), ein in London ansässiger Dachverband, der 600 Gewerkschaften aus über 130 Ländern vereint. Auch Ver.di aus Deutschland ist Mitglied und steht hinter der Aktion.

ITF-Generalsekretär David Cockroft sprach laut einer am Dienstag verschickten Mitteilung von einer "neuen Art der Kampagne" zur Lösung "eines alten Problems". Die nationalen Gewerkschaften zürnen seit langem, weil der Billigflieger sie nicht als Verhandlungspartner anerkennt. Für die 2300 Mitarbeiter gibt es keine Tarif-, sondern nur individuelle Arbeitsverträge. Die größte norwegische Gewerkschaft hatte unter anderem deshalb schon zum Boykott des Billigfliegers aufgerufen.


"Die Mitarbeiter trauen sich nicht"


Die Kampagne kommt für Ryanair zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Airline-Chef Michael O'Leary wehrt sich gerade gegen Bestrebungen von Piloten, sich der British Airline Pilots' Association anzuschließen. Erst im vergangenen Monat ging ein internes Memo durch die britische Presse, das ein Ryanair-Manager an Mitarbeiter gemailt hatte. Darin forderte er sie auf, ihr Geld lieber für "schnelle Frauen, langsame Pferde oder sogar fürs Windhunderennen" auszugeben als für Gewerkschaftsbeiträge. So seien ihnen immerhin "ein paar Minuten Spaß" garantiert.

"Die Mitarbeiter bei Ryanair trauen sich nicht, den Kopf aus dem Fenster zu stecken", sagt ITF-Sektionschef Ingo Marowsky zu SPIEGEL ONLINE. Auch durch Äußerungen O'Learys entstünde der Eindruck, dass aktive Gewerkschafter ihre Karriere bei Ryanair gefährden. So gebe es zwar Ver.di-Büros am Flughafen Frankfurt - bisher aber falle es den Funktionären schwer, die Ryanair-Crews zu erreichen. Die Website sieht Marowsky als Hilfsmittel bei der Organisation: Angestellte können Kontakt zur ITF aufnehmen und würden an die zuständigen nationalen Gewerkschaften vermittelt. Sie sollen auch untereinander über Arbeitsbedingungen diskutieren können.


Ryanair: Gehälter über Branchenschnitt


Ryanair wollte am Dienstag keine detaillierte Stellungnahme abgeben. Die Airline veröffentlichte auf ihrer Website aber eine Tabelle, in der sie Gehälter von Mitarbeitern verschiedener Fluglinien auflistet. Das durchschnittliche Salär bei Ryanair wird dort mit 50.582 Euro im Jahr beziffert. Beim Billigkonkurrenten easyJet, der Gewerkschaften der ITF anerkennt, liege das Jahresgehalt im Schnitt bei 41.384 Euro. Als Quelle nennt Ryanair die jeweiligen Geschäftsberichte. Bei früheren Gelegenheiten haben Ryanair-Vertreter das Mantra verbreitet, die Airline sei "nicht anti-gewerkschaftlich, sondern Pro-Mitarbeiter".

Gewerkschafter Marowsky räumt ein, dass Ryanair bei der Bezahlung insgesamt "im Schnitt" liegt. "Aber das Paket stimmt nicht", moniert er - in vielen Detailfragen seien Ryanair-Mitarbeiter schlecht gestellt. So müssten die Flugbegleiterinnen ihre Uniformen selbst bezahlen, andere Airlines übernähmen zumindest einen Teil der Kosten. Bei easyJet gebe es regulär 30 Urlaubstage im Jahr, bei Ryanair seien es zehn weniger. Der Grund für den Unterschied laut Marowsky: "Bei easyJet gibt es einen ordentlichen Tarifvertrag."

Originalartikel im Spiegel

(Spiegel Online vom 01.09.2004)

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