Leserbrief: "Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir!"

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"Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir!"

Dieser Satz war in aller Eltern Munde und ich habe ihn noch gut im Ohr aus meinen Kindertagen Ende der 50er Jahre. Schon lange habe ich den fürsorglichen Satz nicht mehr gehört. Leider, denn wenige Tage, nachdem dem Hunsrück 1.000 Millonen DM für 10 Jahre versprochen werden für großflächige Betonierarbeiten, sprich Straßen- und Flughafenausbau (mit ein bißchen Schienenverbesserung als Alibi), warnt das Umweltbundesamt vor weiteren gravierenden Umweltverschlechterungen, weil alle Zahlen nach oben weisen: Autovermehrung in nur einem Jahr um über 1 Million Stück, Flugreisende nehmen um 7,5 % zu, die Tag für Tag zubetonierte Fläche steigt von 190 auf 200 Fußballfelder. Zum ersten Mal steigt der CO2-Ausstoß wieder an und der Flugverkehr hat in diesem Bereich seit 1991 die höchste Zuwachsrate mit 75 %.
Bevor alle über mich herfallen dies: Jedem gönne ich den billigen Flug nach England oder sonstwohin, jeder soll soweit Autofahren, wie die Autobahnen reichen. Darum geht es nicht. Auch daß wir auf dem Hunsrück Arbeitsplätze brauchen, bestreite ich nicht. Nur daß wir die Zukunft unserer Kinder verprassen und das nicht einmal mehr gesagt werden darf, ist doch ein Skandal. Mein Vorwurf: Wer 1 Mrd. DM ausgibt, sollte doch über eine lebbare Zukunft nachgedacht haben. Was uns im Hunsrück dank dieses Geldes bevorsteht, sind doch genau die Zustände, die in Rhein-Main die Menschen u. a. zur Ablehnung des Flughafens Frankfurt treiben. Bleibt dem Hunsrück nichts anderes übrig als so zu werden wie die Industriegebiete: Laut, ein einziger Stau, ohne Wälder und komplett zersiedelt? Ich will ja nur wissen, ob die Politiker auch noch was anderes kennen als die Rezepte von gestern, die uns grad in die Klimakatastrophe treiben. Und übrigens: Die Arbeitslosen heute sind nicht Ergebnis von zuviel Umweltschutz oder zuviel Rücksicht auf die Natur etc. Sie sind Ergebnis rein profitorientierten Wirtschaftens.
Darf man bei 1 Mrd. DM auch Zukunft verlangen? Könnte mit so viel Geld nicht auch etwas weniger Umweltschädliches angeregt werden als
Autofahren und Fliegen? Was tun wir dafür, daß es in 20 Jahren unseren Kindern im Hunsrück zumindest nicht schlechter gehen wird als uns? Diese Frage möchte ich in aller Bescheidenheit wenigstens stellen dürfen ohne als Miesmacher zu gelten. An der theoretischen und praktischen Antwortsuche beteilige ich mich übrigens seit 2 Jahrzehnten hier im Hunsrück und möchte das auch weiterhin tun. Derzeit kämpfe ich z. B. damit, daß die Ryanair indirekt und vermutlich auch direkt hoch subventioniert wird, ein kleiner Busunternehmer, der einen Fahrradbusdienst zwischen Emmelshausen und Simmern anbieten will, aber keine Chance wenigstens auf eine Ausfallbürgschaft hat für sein Risiko, die sanfte Freizeitbeschäftigung "Familien-Radfahren auf dem Schinderhannes-Radweg" zu unterstützen.

Jupp Trauth, VCD-Verkehrsclub Deutschland und Bund für Umwelt und Naturschutz.